6 BISCHOF DR. GERHARD FEIGE über 25 Jahre Bildung im Bistum Magdeburg Bischof Gerhard Feige, wie wird man eigentlich Bischof? Meistens ereilt es einen in in der katholischen Kirche, ohne dass man dies an- gestrebt oder sich darum beworben hätte. Dazu gibt es bestimmte Verfahren, in denen von einigen Perso- nen Vorschläge gemacht oder Meinungen über ge- eignete Kandidaten erbe- ten werden. In vielen deut- schen Bistümern können die Domkapitel dann aus einer römischen Dreierliste ihren neuen Ortsbischof wählen. Erklärt der Er- wählte sich bereit, wird er schließlich durch den Papst ernannt und in der Regel von drei anderen Bischöfen geweiht. Welche Art von Bildung ist für dieses Amt beson- ders wichtig? Um Bischof werden zu können, muss man Pries- ter sein, Theologie stu- diert haben sowie weitere fachliche und praktische Voraussetzungen mitbrin- gen, die für ein geistliches Leitungsamt befähigen. Welche Bildungsstationen möchten Sie bei Ihrem ganz persönlichen Bil- dungsweg nicht missen? Angesichts der Herausfor- derungen, denen ich mich als Bischof bisher stellen musste, bin ich dankbar, dass ich zuvor recht unter- schiedliche Erfahrungen machen konnte: als Seel- sorger in einer mehr länd- lichen und in einer mehr städtischen Pfarrei, in wis- senschaftlicher Forschung und Lehre im Rahmen der Priester- und Theologen- ausbildung, davon die letz- ten Jahre als Professor und ein Jahr als Rektor einer kirchlichen Hochschule, sowie durch zahlreiche Vorträge allgemeinver- ständlicher Art und Mit- arbeit in ökumenischen Gremien. Nachträglich habe ich den Eindruck, durch all das allgemein recht gründlich und viel- fältig vorbereitet worden zu sein, gestehe aber, dass ich im Dienst dann noch viel dazuzulernen hatte. Die katholische Kirche im Bistum Magdeburg hat seit 25 Jahren Bil- dungsangebote für alle Altersgruppen im Programm: Schulen in katholischer Träger- schaft, Akademiearbeit, Erwachsenen- und Fa- milienbildung. Schlicht gefragt: Warum? Von Anfang an ging es uns darum, die neuen Mög- lichkeiten zu nutzen, um anderen das christliche Menschenbild nahezubrin- gen. Anders formuliert: Wir wollten Zugangswege zum Evangelium eröffnen. Vor allem bei der Grün- dung katholischer Schulen sind wir da auf manche Abwehr gestoßen. Deshalb sind unsere Schulen auch Dialogschulen. Unsere Gymnasien bieten zum Beispiel nicht nur katho- lischen, sondern auch evangelischen Religions- unterricht und Ethik an. Bei ihren Bildungsan- geboten hat es die Kir- che längst nicht nur mit Christen zu tun. Was – und auch wen – wollen Sie mit diesen Bildungs- angeboten erreichen? Insgesamt verstehen wir alle unsere verschiede- nen Bildungsangebote vorrangig als Dienst am Menschen und an der Ge- sellschaft – als Ausdruck der absichtslosen Zuwen- dung Gottes. Natürlich freuen wir uns, wenn sich der eine oder die ande- re taufen lässt, aber wir versuchen niemanden mit Tricks oder Druck zu uns herüberzuziehen. Schon gar nicht gibt es in unse- ren Einrichtungen befris- tete Arbeitsverträge, deren Entfristung an die Taufe gebunden wäre. In jüngster Zeit zeigt sich, dass rechtspopulis- tische und auch rechts- extreme Tendenzen und Handlungen an Macht gewinnen. Der Ton wird schärfer, Ausgrenzungen nehmen zu. Was bietet Bildung als Gegenmittel? Keine Tricks, kein Druck Bildung weitet den eige- nen Horizont und das Herz, lässt vieles besser verstehen, schärft das Urteilsvermögen, auch den eigenen Standpunkt kri- tisch zu hinterfragen, trägt zu Differenzierung, Emp- findsamkeit und Kompro- missbereitschaft bei – und kann sogar Spaß machen. Damit ist Bildung auch eine wesentliche Grund- lage dafür, dass Demokra- tie gelingt und Menschen friedlich miteinander leben können. Und noch eines: Soweit es möglich ist, soll- ten wir alle miteinander im Gespräch bleiben und dabei für Werte werben, die uns Christen wichtig sind. Dazu gehören unwei- gerlich die Prinzipien der katholischen Soziallehre: die Würde eines jeden Einzelnen, Subsidiarität (Hilfe zur Selbsthilfe), So- lidarität und Gemeinwohl. Gewissermaßen Bildungs- Prinzipien! Entscheidend scheint mir auch zu sein, für Umgangsformen wie Anstand, Respekt, Toleranz und Kompromissbereit- schaft einzutreten. Schließlich: Welches Bildungserlebnis hat sie persönlich stark geprägt? Einige Zeit nach meinem Abitur hat mich nachdenk- lich gemacht, dass vieles von dem, was ich gelernt hatte und abrufbar ge- wesen war, immer mehr in Vergessenheit geriet. Warum – so habe ich mich gefragt – hast du so viele Details in Mathematik, Physik oder Chemie ge- lernt, wenn du sie aktiv beim Studium der Philo- sophie und Theologie gar nicht mehr brauchst und auch gar nicht mehr weißt? Hättest du dir das nicht sparen können? Allmählich ist mir aber aufgegangen, dass meine Lernbemühungen und Lernerfolge mich, mein Denkvermögen sowie mei- ne Vorstellungs- und Ur- teilskraft verändert haben. Es war also nicht umsonst gewesen. In diesem Sinn ist auch zu verstehen, was Albert Einstein, Werner Heisenberg, Mark Twain und Edward Wood in ähn- lichen Worten so zum Aus- druck bringen: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles, was man gelernt hat, vergisst.“ Und wie geht Ihr Bil- dungsweg weiter? Ich bin motiviert, mich auch weiterhin nicht nur mit Themen zu beschäfti- gen, die ich unbedingt für meine direkte Arbeit brau- che, sondern auch anderes zu lesen und zu erlernen. n FRIEDERIKE MAIER sprach mit Bischof Gerhard Feige. Bischof Feige bei der Arbeit: 2014 wird der Neubau der Grundschule St. Franziskus in Halle (Saale) eingeweiht. Für viele Beobachter und Experten eines der „modernsten Schulgebäuden im Land“. r e n r e P t r e b r o N : o t o F ! Gerhard Feige wurde 1978 zum Priester geweiht und war anschließend als Vikar in Salzwedel und Magdeburg tätig. Über ein Vierteljahrhundert lang arbeitete er als Wissenschaftler, promovierte und wurde Professor für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Ostkirchenkunde. 1999 erfolgte die Ernennung zum Weihbischof, 2005 die zum Bischof von Magdeburg. Sein Wahlspruch lautet: Vigilate et orate („Wachet und betet“) und entstammt dem Matthäusevangelium. Mehr unter: www.bistum-magdeburg.de ERFAHRUNGENERFAHRUNGEN