angeschaut

Feier der Lebenswende  Leben in Fülle auf dem eigenen Weg 

Es gibt einen Weg, den keiner geht, wenn du ihn nicht gehst. (Werner Sprenger)
 
Schon vor zehn Jahren war dieses Zitat auf den Flyern für die Feier der Lebenswende in Halle als Motto abgedruckt. Es beschreibt sehr knapp, worum es bei diesem Projekt geht: Den eigenen Lebensweg immer eigenständiger weitergehen und dies in der Feier festlich begehen.
 
Die Feier der Lebenswende gibt es zwar noch nicht seit 25 Jahren, dennoch gehört es zur Lebensgeschichte des Bistums Magdeburg. An verschiedenen Orten werden diese Feiern angeboten und seit diesem Sommer habe ich die Koordination für Halle übernommen. Dort nehmen jährlich über 600 konfessionslose Achtklässler*innen an den Feiern teil, je Feier rund 20 bis 35 Jugendliche. Sie bereiten sich in Kleingruppentreffen darauf vor. Im Mittelpunkt der Feier und ihrer Vorbereitung stehen sie dabei selbst. Im Gegensatz zu Anbietern anderer Feiern, z.B. der Jugendweihe, bieten wir keine Feier für die Jugendlichen an, vielmehr gestalten wir gemeinsam eine Feier mit den Jugendlichen.

Ich nehme zwei Gründe wahr, warum dieses Angebot so nachgefragt ist:

Erstens knüpft es an das Bedürfnis an, dass sich viele junge Menschen (und ihre Familien) ein Fest zum Übergang in das Erwachsenwerden wünschen. Es gibt also offenbar einen Bedarf, den verschiedene Anbieter wie Jugendweihevereine oder eben die Kirche durch die Feier der Lebenswende decken. Man kann sich übrigens kaum vorstellen, wie emotional für viele diese Feier ist – ihr kommt offenbar eine hohe Bedeutung für die Familien zu.

Zweitens geht es über das Angebot eines Events hinaus und bietet in der Feiervorbereitung Hilfestellungen und Anregungen zur Identitätsfindung, zur Auseinandersetzung mit Werten, Zielen und Wünschen des Lebens, und zwar innerhalb eines geschützten Rahmens und gemeinsam mit Wegbegleiter*innen, die sie selbst ernstnehmen und annehmen.

Hier kommen wir als Christinnen und Christen ins Spiel – die Begleitung der Gruppen geschieht durch qualifizierte haupt- und ehrenamtliche Christen. In Halle findet das Projekt in ökumenischer Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Halle-Saalkreis statt. Unsere Konfession ist dabei nicht entscheidend, vielmehr unsere christliche und offene Haltung und unser gemeinsames Menschenbild.

In dieser Atmosphäre werden die persönlichen Fragen und Themen nicht nur angesprochen, sondern teils auch für die Feier selbst aufbereitet. Mit der persönlichen Vorstellung jedes einzelnen Jugendlichen in der Feier wird deutlich, dass es uns darum geht, dass jede*r Feierkandidat*in als einmaliger Mensch, von Gott geliebt, jetzt da ist und dass es gut ist, dass er oder sie jetzt da ist. Insofern spielt das christliche Menschenbild eine unmittelbare Rolle in der Gestaltung der Feier. Die Feiern der Lebenswende finden in Kirchräumen statt, geben damit eine Atmosphäre der Besinnung und der Freude und machen die christliche Prägung unseres Angebots deutlich.
In Halle werden in den Feiern Kerzen entzündet, die die Jugendlichen in der Vorbereitung darauf gestaltet haben. Sie haben ihre Träume, Wünsche und Werte ins Symbol und damit auf die Kerze gebracht.
Bereits bevor ich diesen Aufgabenbereich übernommen habe, durfte ich Erfahrungen darin sammeln. Einmal im Jahr 2016/17 in der Begleitung einer Gruppe von Körperbehinderten in Magdeburg auf dem Weg zu ihrer Feier der Lebenswende. Damals haben wir im Laufe der Vorbereitung einen Rucksack des Lebens mit verschiedenen Symbolen gepackt. Es ergaben sich spannende Dialoge, tiefgreifende Gespräche und emotionale Momente. In diesem Jahr begleitete ich zwei Gruppen in Halle. Bei meinem ersten Kleingruppentreffen war ich erstaunt darüber, wie schnell die Jugendlichen in tiefe Gespräche kamen. Der Zeitpunkt der Feier der Lebenswende in der achten Klasse ist insofern günstig, als dass die Jugendlichen eigentlich alle schon einmal die Erfahrung gemacht haben, an Grenzen gekommen zu sein, mit etwas nicht fertig geworden zu sein oder auch, dass Freundschaften zerbrochen sind.

Die Vorbereitung auf die Feier der Lebenswende nimmt diese Erfahrungen ernst und ist damit nicht nur für die Jugendlichen ein kleiner Schritt auf einem großen Lebensweg, sondern wirkt auch in die Gesellschaft hinein. Denn dort, wo Menschen sich ihrer selbst bewusst sind, wo Menschen ein Stück Weg miteinander geteilt haben, ist für Streit und Hass, ist für Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung kein Platz. Die Feier der Lebenswende und ihre Vorbereitung sind so ein Wegabschnitt auf der Suche nach dem verheißenen Leben in Fülle.
 
Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. (Joh 10,10)
 
Dieses Zitat gilt als Leitwort der Jugendpastoral und es begleitet mich schon seit einigen Jahren in meiner Arbeit als Jugendbildungsreferent. Jugendpastoral ist der Dienst der Kirche an der Jugend überhaupt und an der Jugend der Kirche. Als Mitarbeitende in der Jugendpastoral verkünden wir damit auch die Verheißung Jesu eines Lebens in Fülle und versuchen, dies in der Feiervorbereitung auf dem je eigenen Weg zu entdecken. Die Feier der Lebenswende hat keine missionarische Intention und dient nicht der Gewinnung neuer Mitglieder, sondern sie ist ein Dienst der Kirche an der Jugend. Dieser Dienst unterstützt die jungen Menschen, er schenkt ihnen Hoffnung für das verheißene Leben in Fülle und beinhaltet insofern eine missionarische Dimension. Es geht um Begleitung auf dem je eigenen Lebensweg, sodass die jungen Menschen, die an der Feier teilnehmen, begreifen, was der eingangs zitierte Satz für ihr eigenes Leben bedeuten mag: Es gibt einen Weg, den keiner geht, wenn du ihn nicht gehst.

 
Jonas Borgwardt
Was ist die Feier der Lebenswende?
Als Erfinder der Feier der Lebenswende darf der damalige Erfurter Dompfarrer und heutige Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke gelten. Ende der 90-er Jahre bot er erstmals eine solche Feier samt Vorbereitung für konfessionslose Jugendliche an.
Während die christlichen Konfessionen verschiedene (sakramentale) Initiationsfeiern kennen, haben sich in Ostdeutschland mit der Jugendweihe eigenständige bekenntnisfreie Formen der Initiation Jugendlicher entwickelt (die Tradition der Jugendweihe ist indes viel älter und seit 1889 aus freireligiösen Kreisen bekannt). Die Feier der Lebenswende ist ein alternatives kirchliches Angebot für konfessionslose Jugendliche, die sonst von entsprechenden Vereinen zur Jugendweihe eingeladen werden.
 
Im Bistum Magdeburg gibt es vor allem in Halle, aber auch an anderen Orten (z.B. Magdeburg, Dessau-Roßlau, Köthen, Merseburg) das Angebot der Feier der Lebenswende. In Halle findet dieses Projekt in Kooperation mit dem dortigen evangelischen Kirchenkreis statt.
 
Weitere Informationen und Onlineanmeldung zu den Feiern.
Jonas Borgwardt
ist 1993 in Essen geboren. Nach seinen Studien der Musikwissenschaft (B.A.) in Leipzig sowie der Kulturanalyse und Kulturvermittlung (M.A.) in Dortmund ist er seit 2016 als Jugendbildungs-
referent für das Bistum Magdeburg tätig. Seit Sommer 2019 liegt sein Schwerpunkt auf der Koordination des Projekts "Feier der Lebenswende". Er ist Musiker, Pfadfinder und in der Spiritualität von Taizé zuhause.
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MOMENT. Pastoral-Magazin aus dem Bistum Magdeburg.

Herausgeber: Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft
im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg
(Ausgabe August 2019)

Bildnachweise:
Titelbild "Kirche": ©
Bilderlotte/ Eva Kohlweyer;
Bild "Kerzen": © Bilderlotte/ Eva Kohlweyer
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Portrait: © Arbeitsstelle für Jugendpastoral, Bistum Magdeburg