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Priester am Ambor
Bischof Feige bedankte sich am Ende des Gottesdienstes bei allen Helfern und Einsatzkräften, die nach dem Anschlag geholfen haben.
Bildrechte / Quelle: Bistum Magdeburg

Gottesdienste mit Bischof Feige„Weihnachten gibt trotz allem Hoffnung“

„Zerrissen, widersprüchlich, kaum auszuhalten - und trotzdem Hoffnung“: Bischof Feige beschreibt Weihnachten als Licht inmitten der Finsternis nach dem Anschlag. Erinnerung an Schmerz stehe der Erinnerung an Trost gegenüber.

Erscheinungsdatum: 24. Dezember 2024

Vor dem Hintergrund des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt deutet Bischof Gerhard Feige Weihnachten in diesem Jahr als „heilsame Erinnerung“ in bedrückenden Zeiten. „Nur wenige Tage nach dem brutalen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in unserer Stadt sind es gerade die Erinnerungen an diese Tat, an das Leid und den Schmerz, die vielen Menschen noch nachhängen“, sagte er in seiner Predigt am Heiligen Abend in der Magdeburger Kathedrale St. Sebastian. „Trotzdem oder gerade deshalb feiern wir Weihnachten, das Fest das viele mit einer großen Sehnsucht nach Liebe, Heimat und Geborgenheit verbinden.“

Am Vormittag hatte Bischof Feige einen Gottesdienst in der JVA Burg gefeiert.

Lesen Sie hier seine Eröffnungsworte zur Christnacht 2024 und seine Predigt in voller Länge:

„Eigentlich hatten wir uns Weihnachten ganz anders vorgestellt. Durch den brutalen und wahnsinnigen Anschlag vom letzten Freitag in Magdeburg ist jedoch vieles in Frage gestellt. Unsere Stadt ist wie gelähmt und trauert. Unzählige aus aller Welt bekunden uns auch ihr Mitgefühl. Viele Zeichen der Verbundenheit haben auch mich erreicht. Selbst Papst Franziskus hat seine Anteilnahme bekundet und uns seines Gebetes versichert.

Was wir jetzt brauchen, sind keine rechten Aufmärsche und politischen Instrumentalisierungen. Was wir jetzt brauchen, ist eine Atempause, um wieder neue Kraft und Zuversicht schöpfen zu können, sind Menschenfreundlichkeit und ein friedvolles Miteinander. Unsere Sehnsucht danach ist groß.

Darum auch feiern wir trotz aller niederdrückenden Erfahrungen Weihnachten. Wir trauen der biblischen Botschaft: Gottes Sohn wird Mensch, das Licht kommt in die Finsternis, mitten in der Kälte blüht eine Rose auf. Der unfassbare Gott neigt sich zur Welt, um ihre Not zu lindern. Uns wird etwas geschenkt: die Zusage von Erlösung, Vollendung und ewigem Leben. Daraus kann eine große Hoffnung erwachsen, konnten und können viele gläubigen Menschen selbst in notvollen Situationen Weihnachten feiern. Wer sich von einem Sinn getragen weiß, vermag auch manches Unverständliche zu verkraften und den Mut nicht zu verlieren.

Möge dieser Gottesdienst auch unsere Herzen ergreifen, uns trösten und aufrichten!“

Predigt zu heilsamer Erinnerung

„Heilsame Erinnerung
Christmette 2024
(Jes 9, 1-6 / Tit 2,11-14 / Lk 2,1-14)

An Weihnachten erinnern wir uns an die Geburt Jesu und feiern das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Ja, Weihnachten hat mit Erinnerung zu tun. Nur wenige Tage nach dem brutalen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in unserer Stadt sind es gerade die Erinnerungen an diese Tat, an das Leid und den Schmerz, die vielen Menschen noch nachhängen. Da schließe ich mich selbst mit ein. Ich bin erschüttert und entsetzt über diese sinnlose Gewalttat. Trotzdem oder gerade deshalb feiern wir Weihnachten, das Fest das viele mit einer großen Sehnsucht nach Liebe, Heimat und Geborgenheit verbinden. Kindheitserinnerungen werden wach; familiäre Beziehungen, Gemeinschaft und Solidarität sind begehrt; Sinne und Gefühle suchen nach Erfüllung. Bräuche und Rituale, Lieder und Gerüche laden dazu ein, sich an frühere Ereignisse zu erinnern. Und oftmals liegt über ihnen der Schleier einer angeblich heilen Welt. Ja, „die Erinnerung“– so heißt es – „ist das einzige Paradies, aus dem einen keiner vertreiben kann.“ Aber Gott ist nicht in einer heilen und unversehrten Welt Mensch geworden, sondern in der Welt, wie sie ist, zerrissen und widersprüchlich und manchmal kaum auszuhalten.

Aber auch sonst spielt die Erinnerung in unserem Leben eine wichtige Rolle. Das spüren wir schon bei der Wahrnehmung, dass manche Erinnerungen an Menschen und Ereignisse mit den Jahren verblassen. Und es wird uns eindrücklich bewusst, wenn sich Menschen in unserem Umfeld aufgrund von Krankheit oder Alter nicht mehr erinnern können. Erinnerungen bilden die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und haben auch eine gesellschaftliche Kraft und politische Macht. Häufig werden sie zum Gesprächsstoff, wenn Menschen zusammenkommen, die kurze und lange Abschnitte ihres Lebensweges miteinander geteilt haben: so bei Familienfesten, Trauerfeiern oder Jubiläen.

Dabei ist das mit der Erinnerung so eine Sache. Das gibt auch die Alt-Kanzlerin Angela Merkel in ihren Memoiren zu bedenken: „Wer einmal versucht hat, sich an Ereignisse zu erinnern, die nur fünf oder zehn Jahre zurückliegen, nicht oberflächlich, sondern ernsthaft, tatsächliche oder vermeintliche Erinnerungen mit Fakten abzugleichen und zu prüfen, der weiß, wie unzuverlässig das menschliche Gedächtnis sein kann und wie sehr es dazu neigt, sich eher den eigenen Erwartungen, Hoffnungen und Wünschen anzupassen als der Realität.“

Und dann gibt es noch eine andere Seite der Erinnerung. In Sätzen wie „Das merke ich mir!“, „Das vergesse ich Dir nicht!“ scheint etwas wie eine böse Erinnerung auf. Erinnerung kann eine Hölle sein, die immer wieder beschworen wird. Da ist einem Einzelnen, einer Gruppe, einem ganzen Volk etwas eingebrannt, wird etwas am Kochen gehalten, das sich immer wieder entlädt. Erinnerungen an furchtbare Erlebnisse können auch zum Trauma werden, einer seelischen Verletzung, die nur schwer überwunden oder geheilt werden kann. Wie gerne würden Menschen so etwas vergessen, was sie immer wieder erschüttert und das Leben schwer macht.

„Erinnerungen der Apostel“ nennt Mitte des 2. Jahrhunderts der Märtyrer Justin die Evangelien“.  Durch sie wird uns die Frohe Botschaft vom Reich Gottes verkündet, können wir hören und erahnen, wie Gott zur Welt steht und was es mit Jesus Christus auf sich hat, werden wir mit hineingenommen in die Geschichte Gottes mit den Menschen, von der wir selbst ein Teil sind. Nicht um Nostalgie geht es da und Flucht aus der Gegenwart oder nur die Vermittlung von irgendwelchen Fakten aus der Vergangenheit, sondern um die Verdeutlichung, dass diese denkwürdigen Ereignisse für uns noch heute eine existenzielle Bedeutung haben

So versucht auch der Evangelist Lukas mit seiner Erzählung von der Geburt des Gottessohnes uns dieses geheimnisvolle Geschehen nahezubringen. Mit viel Kenntnis führt er uns in die historischen Zusammenhänge ein. Und so hören wir von Kaiser August, der alle Bewohnerinnen und Bewohner in Steuerlisten eintragen lässt, in der Zeit, als Quirinius Statthalter von Syrien war. Wahrscheinlich bleibt das den meisten von uns nach dem Weihnachtsgottesdienst nicht unbedingt in Erinnerung. Für Lukas ist es aber erwähnenswert. Schon das Vorwort des Evangeliums weist den Verfasser als sachkundigen Kenner der antiken Geschichtsschreibung aus. Dabei legt er großen Wert darauf, „der Reihe nach“ zu erzählen. Es scheint dem Evangelisten also darauf anzukommen, deutlich zu machen, dass es sich nicht um eine bloße Erinnerung handelt, die immer auch der Unzuverlässigkeit des Gedächtnisses unterliegt. Nein, was er zu erzählen hat, ist gut recherchiert und historisch fundiert. Von diesem gesicherten Fundament aus – davon ist er vielleicht überzeugt – können sich die Menschen auf die eigentliche Botschaft einlassen: Gott macht einen neuen Anfang mit den Menschen. Gleich zwei Mal hören wir davon in den Lesungstexten. Auch der Prophet Jesaja ruft in Erinnerung: „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf. […] Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt.“ (Jes 9, 1.5) Man kann dieses wunderbare Geheimnis auch so umschreiben (Arno Backhaus): „Schon viele Menschen wollten Götter sein, aber nur ein Gott wollte Mensch sein …“ Daran wird erinnert, damit wir neuen Mut schöpfen. Gott will uns nahe sein und uns in allen Nöten und Schwierigkeiten beistehen. Dazu ist er Mensch geworden. Mehr denn je dürfen wir uns davon stärken lassen. Von der Geburt des Gottessohnes geht ein Licht aus, das bis in die dunkelsten Winkel unseres Lebens leuchten und die Finsternis in und um uns entmachten kann.

„Du sollst dich erinnern!“ – dazu ruft auch die DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier auf und bezeichnet dies als das elfte Gebot. Dabei ist sie überzeugt: Nur wer die Vergangenheit wachhält, kann die Zukunft gestalten. In diesem Sinn argumentiert auch Erich Kästner, wenn er markant formuliert: „Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet den Menschen um. Wer das, was schön war, vergisst, wird böse. Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.“ Ja, als Christen erinnern wir uns nicht nur an die Heilstaten Gottes in früheren Zeiten, sondern bringen auch unsere persönlichen Erfahrungen aus der jüngsten Geschichte mit und sorgen uns angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen unseres Landes und unserer Gesellschaft. Wenn rechtspopulistische Töne lauter werden und autokratische Machtstrukturen zunehmen, wenn die Vergangenheit romantisch verklärt und der Eindruck vermittelt wird, „damals“ sei alles besser kuschliger und übersichtlicher gewesen und das könne zurückgeholt werden, ist auch hierbei eine lebendige und fundiert aufgestellte Erinnerungskultur umso wichtiger und von unschätzbarer Bedeutung.

Dafür macht sich auch der Schriftsteller Ilko-Sascha Kowalczuk stark. „Freiheit ist ein Lebensprojekt,“ – schreibt er – „kein Ding, das sich, hat man es einmal, irgendwie festhalten ließe. Sie ist immer und überall bedroht und muss daher immer und überall verteidigt werden, individuell wie gesellschaftlich. Es ist auch ein ewiger Kampf gegen … die Macht des Vergessens. Nur wer erinnert, hat eine Chance, nicht zu unterliegen. Die Mächtigen, zumal die gegen Freiheit Ankämpfenden, ziehen immer und sofort gegen das Gedächtnis, gegen die Erinnerung zu Felde …“  

In unserer Stadt wird die Zeit um Weihnachten in den kommenden Jahren immer auch eine Zeit der Erinnerung an das Geschehen vom vergangenen Freitag bleiben – eine Erinnerung daran, was Hass und sinnlose Gewalt anrichten können. Heute Abend und in diesen Tagen erinnern wir uns aber vor allem an die zahlreichen Opfer, an die Verletzten, die teilweise noch um ihr Leben ringen und Weihnachten in den Krankenhäusern verbringen, an ihre Angehörigen und an alle, die auf dem Weihnachtsmarkt waren und noch nach Wegen suchen, die Ereignisse zu verarbeiten; erinnern wir uns auch an die Ordnungs- und Rettungskräfte, die das Geschehene und Gesehene verarbeiten müssen, und an die vielen Menschen, die in den Kliniken ihren Dienst tun. An Weihnachten können wir einen Moment innehalten und uns ermutigen lassen: Gott macht einen neuen Anfang mit uns Menschen, mit jedem und jeder Einzelnen – immer wieder. Wenn wir uns daran jedes Jahr erinnern, dann nicht aus Nostalgie und als Vertröstung. Wir feiern die Heilstaten Gottes und erinnern an die Hoffnungsgeschichte Gottes mit seinem Volk, damit wir neuen Mut schöpfen können. Es ist eine heilsame Erinnerung inmitten der Turbulenzen des Lebens.“

Bischof Feiges Weihnachtspredigten als PDF:

Weihn.24.Christnacht_final.pdf (bistum-magdeburg.de)

Weihn.24.Erster Feiertag.pdf (bistum-magdeburg.de)

Weihn.24.Zweiter Feiertag.pdf (bistum-magdeburg.de)

Quelle: kna; Bistum Magdeburg, Pressestelle, presse@bistum-magdeburg.de, 0391-5961134

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