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Tag des Herrn

Dorothee Wanzek Foto: imago/epd „Restorative Justice“ ist ein Konzept, das – angepasst an die jeweilige Lebenskultur – unter anderem nach dem Völkermord von Ruanda Anwendung fand. Wie hier in Rugurame im Süden des Landes finden regelmäßig psychologisch begleitete Treffen zwischen Hutus und Tutsis, Überlebenden und Tätern statt. Hier berichtet eine Frau, dass der Mann neben ihr ihren Ehemann getötet, ihre Felder und ihr Haus zerstört hat. Heute hilft er ihr beim Wassertragen und bei der Arbeit. Die (Erz-)Bistümer Berlin, Dresden-Meißen und Görlitz geben eine sozialwissenschaftliche Missbrauchsstudie in Auftrag. Unter anderem soll darin untersucht werden, wie Gemeinden sich ihrer Vergangenheit stellen können. Nach wiederholtem Drängen des Betroffenenbeirats geben drei ostdeutsche Bistümer eine gemeinsame Missbrauchsstudie in Auftrag. Bis Mitte Mai können Forscherteams sich für die auf drei Jahre angelegte Studie bewerben. Sie soll die Erkenntnisse der MHG-Studie aus dem Jahr 2018 ergänzen, die deutschlandweit Häufigkeit und begünstigende Strukturen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker untersucht hatte. Darüber hinaus sollen Wissenschaftler fachübergreifend erkunden, von welchen Faktoren gelingende Aufarbeitung abhängt. Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hatte die MHG-Studie sich in ihrer Untersuchung auf Missbrauchstaten beschränkt, die an Minderjährigen verübt wurden. In einer Reihe von Bistümern, darunter Dresden-Meißen und Görlitz, erfasste sie nur Fälle nach dem Jahr 2000. Nicht berücksichtigt wurden zudem Täter ohne Priester- oder Diakonenweihe. Für das Erzbistum Berlin gab es 2021 ein Gutachten, das über die MHG-Studie hinausgehend auch den Umgang kirchlich Verantwortlicher mit angezeigten Fällen dokumentierte. Die neue Studie soll auf bisherige Forschungsergebnisse aufbauen und für die beteiligten Bistümer alle Missbrauchstaten erfassen, die ab 1946 im Verantwortungsbereich der Kirche angezeigt wurden. Zum Auftrag gehört auch, das Erfasste historisch, theologisch, soziologisch und juristisch zu bewerten und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, angelehnt an Leitfragen des „Restorative-Justice-Konzeptes“ (Wiederherstellende Gerechtigkeit). Dieses Konzept hat sich – unterschiedlich ausgeprägt – weltweit in Krisen bewährt. Es beförderte unter anderem Versöhnungsprozesse nach dem Völkermord in Ruanda und dem Apartheid-Regime in Südafrika. Es liegt auch dem im deutschen Recht etablierten Täter-Opfer-Ausgleich zugrunde. Daran anknüpfend soll die Studie zum Beispiel erkunden, was Bistümer tun müssten, damit Betroffene das Erlebte bewältigen können und handlungsfähig werden, damit Täter Verantwortung übernehmen und Gemeinden sich ihrer Vergangenheit stellen und Lehren für die Zukunft ziehen. Einigung konnte zwar über das Konzept der Studie erzielt werden, nicht aber über die Art der Ausschreibung, bei der Betroffene sich übergangen fühlen. „Da die Studie nicht als unabhängige Studie ausgeschrieben ist und Rückfragen mit dem Persönlichen Referenten des Erzbischofs geklärt werden sollen, halten wir eine Beteiligung an der Forschung für die Studie nicht für verantwortbar und raten im Interesse der Sicherheit Betroffener davon ab", sagt Michael Köst, Betroffenenvertreter und Koordinator der Arbeitsgruppe Studie, die das Konzept erarbeitete. Er kritisiert zudem eine „dramatische Unterfinanzierung“ der Studie: „Der Erzbischof hat uns mitgeteilt, dass dafür höchstens 500 000 Euro bereitgestellt werden. Für dieses Konzept reicht das nicht.“ Drei Ostbistümer beauftragen Missbrauchsstudie
Dorothee Wanzek Foto: Privat Johannes Meier hat Erinnerungen an seine Treffen mit Reinhold Pfafferodt (im Bild auf einemMotorroller Berlin) im Fotoalbum festgehalten. Theologiestudenten erfuhren in der DDR-Zeit viel Hilfe aus dem Westen. Auch die Unterstützer profitierten von den Kontakten und manchmal wuchsen daraus Freundschaften fürs Leben. Wenn der Kölner Generalvikar Guido Assmann und der Leipziger Pfarrer Christoph Baumgarten aus der DDR-Zeit erzählen, dann blitzt ein wenig jugendliche Abenteuerlust aus den Augen der inzwischen Über-60-Jährigen. Assmann, damals Theologiestudent in Bonn, erinnert sich, wie er versuchte, der Willkür der Kontrolleure zu trotzen und dem Erfurter Studienkollegen Fachbücher zu schicken. Einen Lexikonband hatte ihm die Postkontrolle der DDR bereits mehrfach wieder zurückgesandt. Erfolg hatte er schließlich, als er das druckfrische Buch mit einigen Bleistiftanmerkungen, Lesezeichen und Eselsohren versah und es Baumgarten bei einem Treffen in Ostberlin persönlich übergab. Den Grenzkontrolleuren machte er weis, er lerne damit gerade für eine bevorstehende Prüfung. Auf dem Rückweg fiel ihm ein Stein vom Herzen, als ihn niemand nach dem Verbleib dieses Buches fragte. Christoph Baumgarten berichtet von einem Besuch beider Studenten im Berliner Theatercafé. Dass der redselige Mann, der in dem halb leeren Café ausgerechnet an ihrem Tisch platziert wurde, zur Stasi gehörte, schien ihm sonnenklar – dem weniger DDR-erfahrenen Guido Assmann zunächst offenbar aber nicht. Es dauerte eine Weile, bis der Freund die bemüht unauffälligen Blicke bemerkte, mit denen Baumgarten ihn zu warnen versuchte – eine angespannte Situation, über die heute beide herzlich lachen. Kennengelernt hatten sie sich 1984. Vier Erfurter Studienanfänger trafen damals in der Wohnung des Ostberliner Pfarrers Johannes Ziesinski auf vier Bonner Seminaristen, die von Westberlin aus mit einem Tagesvisum in den Ostteil der Stadt gereist waren. „Wir saßen zufällig nebeneinander – damit war unsere Partnerschaft besiegelt“, sagt Guido Assmann. Scherzhaft habe man damals von „Theologen-Hochzeit“ gesprochen, die Bonner redeten untereinander von ihrem „Ost-Paul“, sie selbst waren die „West-Theos“ (für West-Theologen). Ein Ziel dieser vom Erfurter Priesterseminar mit dem Erzbistum Köln und anderen westdeutschen Bistümern eingefädelten Theologenpartnerschaft war es, eine Struktur für die materielle Unterstützung der Ost-Studenten zu schaffen – sofern unter DDR-Verhältnissen überhaupt möglich. „Heute können sich viele kaum mehr vorstellen, dass wir uns damals als Kirche in einem Graubereich bewegten und manches auf andere Weise organisieren mussten als in einem Rechtsstaat üblich“, sagt Prälat Hellmut Puschmann. Das Bildungsheim des Bischöflichen Stuhls in der Berliner Pappelallee, das er einige Jahre lang leitete, war nach dem Mauerbau Schauplatz vieler Begegnungen zwischen Katholiken aus Ost und West, auch international. Mit Anspannung erwarteten Besucher aus dem Westen stets die Grenzkontrollen.Foto: imago/Rust Seit 1973 stellte das Bonifatiuswerk jährlich 200 D-Mark für jeden Theologiestudenten in der DDR zur Verfügung, vor allem für theologische Literatur. Aufgabe der West-Partner war es, Bücher und anderes, was die jungen Männer dringend brauchten, zu den Adressaten zu bringen. Wenn angehende Priester Westverwandtschaft hatten, gaben sie häufig statt eines Partner-Theologen einen Angehörigen als Kontaktperson für das Bonifatiuswerk an. Wichtiger als die Sachspenden war es vielen Studenten in Ost und West aber, sich persönlich mit Christen im anderen Teil Deutschlands auszutauschen. Bei Guido Assmann und Christoph Baumgarten ist daraus eine Freundschaft gewachsen, die sie bis heute pflegen. Ihre Begegnungen fanden entweder in Berlin oder in Leipzig statt. Während andere „Theos“ und „Pauls“ häufig die Leipziger Messe für Begegnungen nutzten, wählten die beiden die familiäre Schiene. Dafür musste Familie Baumgarten in Leipzig dem Gast jedesmal eine Einladung schicken. Die Genehmigung sei oft erst am Tag vor der geplanten Abreise gekommen, erinnert sich der Kölner Generalvikar. Neben den vom Erfurter Priesterseminar vermittelten Partnerschaften gab es andere Wege, Theologiestudenten über die innerdeutsche Grenze hinweg in Kontakt zu bringen. Elmar Busse, gebürtiger Heiligenstädter, kam in den 1970er Jahren über die Schönstatt-Bewegung mit West-Kommilitonen in Kontakt. Auch er hat manche Anekdoten zur Übergabe von Bücherspenden in petto. Einmal im Jahr wechselte auf der Transitstrecke zwischen Hermsdorfer Kreuz und Jena ein Paket den Besitzer. „Zwei, drei Tage vorher verabredeten wir uns am Telefon mit dem Geheimcode ‚Tante Erna ist gestorben‘“, berichtet der Priester. An der Raststätte Hermsdorfer Kreuz seien dann ein Ost- und ein Westauto zu nächtlicher Stunde zusammengetroffen, jeweils mit zwei Studenten besetzt. Man wechselte kein Wort miteinander. „Die Fenster beider Fahrzeuge waren geöffnet. Ich kniete hinten auf dem Bodenblech und nahm während des Überholvorgangs bei 80 Stundenkilometern das Paket entgegen.“ „In der Kirche wurde Einheit gelebt“ Der nahe Paderborn aufgewachsene Kirchenhistoriker Professor Johannes Meier hat den Eindruck, dass manche Schilderungen die Gefahrenlage, der die Partnertheologen ausgesetzt waren, ein wenig übertreiben. Dabei erinnert auch er sich aus seiner 1971 angebahnten Partnerschaft mit dem kürzlich in den Ruhestand verabschiedeten Magdeburger Dompropst Reinhold Pfafferodt an eine gewisse Anspannung bei Grenzkontrollen und auch er war mitunter kreativ, um Bücher an den Mann zu bringen. Einmal schickte er ein Paket, das bereits aus der DDR zu ihm zurückgekehrt war, zu Freunden nach Polen. Pfafferodt holte die Bücher dort ab und legte sich auf der Rückfahrt im Schlafwagenabteil für alle Fälle darauf, um sie vor Kontrolleuren zu verbergen. Johannes Meier zufolge liefen Grenzübertritte sehr unterschiedlich ab. Er erlebte auch freundliche Grenzbeamte, so wie die Volkspolizistin, die ihn alle Schallplatten und Texte ausbreiten ließ, die er im Gepäck hatte – zu seiner Überraschung durfte er alles wieder einpacken und mitnehmen. Die Postzensur machte den Versand theologischer Literatur in die DDR zum Glücksspiel.Foto: imago/Paul Zinken Bei Elmar Busse lösten seine Schmuggel-Abenteuer ein kleines Triumphgefühl aus, sagt er: „Offensichtlich war die Stasi doch nicht so allwissend, wie es oft den Anschein hatte.“ Vor allem stärkten sie ihn in seinem Glauben. Zu erleben, dass die Kirche Grenzen überwindet, sei für ihn sehr wichtig gewesen, betont der Priester. „Als ich studierte, hatten die meisten Politiker das Ziel einer deutschen Einheit längst aufgegeben oder führten sie allenfalls in Sonntagsreden im Mund. In der Kirche wurde Einheit gelebt“, sagt er. Johannes Meier und Reinhold Pfafferodt verdanken ihre Bekanntschaft dem heißen Draht, der grenzübergreifende Diözesen verband, besonders stark zwischen dem Paderborner Mutterbistum und der Apostolischen Administratur Magdeburg. Da Familienbande die Genehmigungen für grenzübergreifenden Kontakt erleichterten, verständigten sich die beiden nach ihrer „Theologen-Hochzeit“ 1971 auf eine Verwandtschaft über ihre Großmütter. „Zum Glück hat das nie jemand überprüft“, sagt Johannes Meier mit einem Schmunzeln. Beide Theologen empfinden ihre bis heute lebendige Freundschaft nicht nur menschlich, sondern auch beruflich als Bereicherung. Johannes Meier lernte dadurch eine für die alte Kirchengeschichte äußerst bedeutsame Region kennen, besuchte Orte wie die Wartburg und das ehemalige Kloster Hamersleben und fand hier Anknüpfungspunkte für spätere Forschungen, etwa für seine Habilitation über die Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Reinold Pfafferodt hat über Johannes Meier einen westdeutschen Freundeskreis gefunden, über den unter anderem das „Waldhaus Dubro“ entstand, ein christliches Selbstversorger-Gruppenhaus in der Niederlausitz. „Mit seinen Lateinamerika-Kontakten weitete Johannes Meier meinen Horizont auf die Weltkirche hin“, sagt der Magdeburger Ruhestandspriester. Nach 1989 nutzte er die neue Reisefreiheit für eigene Erkundungen im Süden Amerikas. Unter dem Titel „Zwischen Resignation und Hoffnung“ veröffentlichte er 1992 mit Johannes Meier und Willi Kraning im Leipziger St. Benno Verlag ein Buch über dortige Christen. Etwas von der Anteilnahme und Unterstützung, die er in der DDR erfahren hatte, möchte Reinhold Pfafferodt ihnen weitergeben. Unter anderem hat er einem jungen Brasilianer den Weg für ein Studium in Magdeburg geebnet. Christoph Baumgarten (links) und Guido Assmann als Theologiestudenten in Ostberlin.Foto: Privat Auch die Theologenpartnerschaft von Christoph Baumgarten und Guido Assmann wirkt sich weiter aus. Zu gegenseitigen Besuchen nehmen sie seit 1989 oft Jugendgruppen mit. „Christen kennenzulernen, die in ganz anderen Gemeindesituationen leben als sie selbst, ist wertvoll für junge Leute“, sagt Christoph Baumgarten. „Wir haben als Seelsorger viel aus den Begegnungen geschöpft“, ergänzt Guido Assmann. Theologenpartnerschaften über die innerdeutsche Grenze hinweg
Michael Burkner Wie Kinder auf der Website religionen-entdecken.de Antworten auf ihre dringenden Fragen bekommen und warum auch Erwachsene mehr Fragen zu anderen Religionen stellen sollten. Wer Kinder hat oder mit ihnen arbeitet, der weiß: Kinder stellen Fragen. Viele Fragen. Und manchmal Fragen, die man als Vater, Oma oder Lehrerin gar nicht so genau beantworten kann. Meistens, weil man sie sich selbst noch nie gefragt hat. Manchmal, weil man denkt, schon eine Antwort zu haben, die aber ausgesprochen plötzlich gar keinen Sinn mehr ergibt. Aber Kinder suchen Antworten auf ihre Fragen und fragen dann halt wen anders. Vor 13 Jahren thematisierte die Journalistin Jane Baer-Krause auf der Kinderseite einer Apothekenzeitschrift Religionen und wurde im Anschluss von Nachfragen nur so erschlagen. Sie erkannte eine Lücke im Bildungsangebot für Kinder und startete mit ihrer Kollegin Barbara Wolf-Krause die Website religionen-entdecken.de. Ehrenamtlich. Aus der Erkenntnis heraus, dass Kinderfragen nicht unbeantwortet bleiben dürfen. 2020 übernahm das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) die Seite, die für acht- bis 13-Jährige ausgelegt ist, heute ist Moritz Vogel verantwortlicher Redakteur. „Wir arbeiten von der Intention der Kinder aus. Wir beantworten nur, was Kinder uns fragen“, erklärt er. Etwa 100 Fragen gehen wöchentlich in der Redaktion ein, die meisten werden von einem ehrenamtlichen Expertenteam beantwortet. Angelica Hilsebein legt auch Erwachsenen den Blick über die eigene Religionsgemeinschaft hinaus nahe. „Baut keine Wagenburg-Mentalität auf. Schottet euch nicht ab, sondern versucht, in Zukunft verbündet mit anderen Religionen eine Stimme in der Gesellschaft zu sein. Damit die Frage nach Gott nicht verschwindet“, empfiehlt die Referentin für interreligiösen Dialog im Erzbistum Berlin. In der Hauptstadt leben Mitglieder von etwa 250 Religionsgemeinschaften, spätestens seit den Kriegen im Nahen Osten beobachtet Hilsebein verhärtete Fronten, besonders zwischen den Weltreligionen. Auf persönliche Begegnungen und Austausch statt auf Vorurteile und vorgefertigte Meinungen zu setzen – das seien erste Schritte in die richtige Richtung, in der Politik, aber auch im Alltag: „Elterncafés in Kitas sind zum Beispiel eine gute Möglichkeit.“ Von Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen fordert sie mehr Engagement, um Gesprächskanäle offen zu halten und zu Toleranz und Akzeptanz beizutragen. Schließlich könnten gerade Christen, die in Deutschland mehr und mehr zur Minderheit werden, von Glaubensgemeinschaften lernen, die schon lange in der Diaspora leben, wie Moritz Vogel findet. „Religion ist nicht von Kultur zu trennen, damit tut sich das Christentum manchmal schwer. In anderen Religionen hier in Deutschland sehen wir, dass die zwischenmenschliche Gemeinschaft viel mehr im Vordergrund steht. Das spricht Menschen an, denn jeder trägt ein Bedürfnis nach Spiritualität und Identitätsgefühl in sich“, erklärt er und ergänzt: „Kommen Sie aber auch mit Ihren Kindern und Enkelkindern, mit Ihren Schülern und Nachbarskindern ins Gespräch! Kinder gehen völlig offen und unvoreingenommen auf andere Religionen zu.“ Gepaart mit ihrer Neugier entstünden dann die Fragen, die auf religionen-entdecken.de beantwortet werden – weil Kinderfragen nicht unbeantwortet bleiben dürfen. Website www.religionen-entdecken.de beantwortet Kinderfragen
Ruth Weinhold-Heße Foto: shutterstock/katjen „Suchet der Stadt Bestes“ – in Pirna. Gehen, schweigen, zuhören, miteinander reden – das bietet ein Ehepaar aus Pirna in seiner Freizeit an. Die Beiden sind offen für alle, die mitkommen möchten, und wollen damit vor allem Menschen zusammenbringen. Ein ökumenisches Experiment mit offenem Ausgang. „Was können wir gut? Und was machen wir gerne?“ – zwei Fragen, die sich Silke Maresch und ihr Mann Tobias Hupfer-Maresch stellten, als sie sich vornahmen, etwas Gutes für ihre Heimatstadt Pirna zu tun. Ihr Ziel: Dass Menschen ins Gespräch kommen, einfach miteinander reden, sich gegenseitig zuhören. „Daraus kann ja etwas Neues entstehen“, so Silke Maresch, gebürtige Pirnaerin. Das Ehepaar bietet nun ein Pilgerwochenende an, das unter dem Motto steht: „Suchet der Stadt Bestes“. Ein Flyer liegt in evangelischen und katholischen Kirchen in Pirna aus. Sie laden ein, drei Tage gemeinsam unterwegs zu sein, haben eine Pilgerroute ausgesucht und einfache Übernachtungsmöglichkeiten. Morgen- und Mittagsimpulse wird es geben und einen Tagesrückblick am Abend, maximal 20 Kilometer am Tag wollen sie gehen. „Silke hat eine Pilgerbegleitausbildung gemacht und wir kommen beide aus der Sozialen Arbeit, haben Erfahrung mit niedrigschwelligen Angeboten, wie sie in den beiden Kirchen oft fehlen“, erzählt der evangelische Christ Tobias Hupfer-Maresch. Und seine Frau, Katholikin, fügt lachend hinzu: „Wir wandern gerne. Im schlimmsten Fall wäre es ein Wochenende zu zweit geworden.“ Einige Pilger haben sich aber schon angemeldet: Zwei Freunde, die zaghaft gefragt hätten, ob sie auch mitmachen könnten, obwohl sie keine Christen seien, und drei Interessierte, die sie (noch) nicht kennen. „Wir werden mit einigen fremden Menschen gehen. Beim Laufen entschleunigt man ja automatisch. Da kann man gut zuhören, weil es keinen Zeitdruck gibt. Wir sind gespannt, was daraus entsteht. Wenn es gut läuft, gehen wir nächstes Jahr weiter“, sagt Silke Maresch. Silke Maresch und ihr Mann Tobias Hupfer-Maresch bieten ein Pilgerwochenende an. Christlicher Auftrag: Grenzen überwinden „Als Christen haben wir etwas in die Gesellschaft einzubringen“, begründet Tobias Hupfer-Maresch sein Engagement, das er seit Jahren in seine Kirche einbringt. Er ist Diakon und systemischer Coach. „Unser christlicher Auftrag ist es, Grenzen zu überwinden“, ist er überzeugt. Damit meint er auch die Grenze zwischen den Konfessionen. Denn wenn es immer weniger Christen in der Region gebe, müsse man doch nicht alles getrennt machen. Ihre Ehe ist gelebte Ökumene. Darüber hinaus ist er politisch aktiv, kandidierte 2024 für den Pirnaer Stadtrat. „Manchmal war ich sehr frustriert im Wahlkampf. Da habe ich mich auf den Marktplatz gestellt und versucht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, aber viel Ablehnung erfahren, weil ich für die Grünen kandidiert habe“, erzählt er. Viele wollten nicht einmal mit ihm reden. Silke Maresch, Malteser-Seelsorgerin für die Bistümer Dresden-Meißen und Görlitz, berichtet aber auch darüber, dass Menschen dankbar sind, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkt: „Da haben wir irre gute Erfahrungen gemacht und viel Anerkennung bekommen, weil wir uns zum Beispiel ein ganzes Wochenende Zeit für sie genommen haben.“ Das Pilgerwochenende bieten sie in ihrer Freizeit an. Sie wollen nicht bei der Kritik an ihren Kirchen und der Gesellschaft stehen bleiben. Silke Maresch betont: „Kirche funktioniert über Menschen, die da hingehen und sich engagieren. Wir wollen machen statt meckern.“ „Suchet der Stadt Bestes“ – Pilgern durch Pirna
Gregor Mühlhaus Fotos: Gregor Mühlhaus Die Kinder sprühen auch die Internetadresse „wuerde-unantastbar.de“ auf den Boden. Auf der Website informiert der Verein für Menschenwürde und Demokratie über seine Anliegen. Eltern und Kinder der „Familienbande Worbis“ haben mit einer Straßen-Spray-Aktion den Erhalt von Vielfalt, Demokratie und Menschlichkeit eingefordert. Es ist ein kalter und ungemütlicher Mittwochnachmittag, als Sandra Schmidt vor dem „Hugo Aufderbeck Haus“ der katholischen Gemeinde in Worbis steht und zahlreiche Pappschablonen auspackt. „Würde Unantastbar“, „Worbis bleibt bunt“ und „Kinderkirche“ lauten die Schriftzüge, die die 50-Jährige vom Familienkreis „Familienbande Worbis“ mit weiteren fleißigen Helferinnen in die Pappen eingestanzt hat. Die mahnenden Worte sollen mit Kreidefarbe auf den Kirchplatz gesprüht werden. Auch sind Schablonen vorbereitet, die eine Krone zeigen. Diese soll für die Einzigartigkeit eines jeden stehen. Als die ersten Kinder mit ihren Eltern kommen, erzählt Schmidt, dass ihr die Idee zur Aktion beim Surfen im Internet kam. „Ich sah, dass sich ein Verein für Demokratie vehement dafür einsetzt, dass Würde und Akzeptanz nicht nur Worte bleiben, sondern jeden Tag neu eingefordert werden müssen“. Also startete die Kirchortratsvorsitzende eine große Farbsprühaktion in der Pfarrei St. Antonius Worbis. Leo, Antonius, Dorothea und Feline schnappen sich die ersten Schablonen und Dosen, schütteln sie und beginnen mit ihrer Arbeit. Andere Kinder haben sich auf den Weg zum evangelischen Pfarrhof, zu einem Pflegeheim und zur Antoniuskirche gemacht. Auch dort wird für die „Würde“ gesprüht, ebenso wie in Breitenworbis vor der Kirche St. Vitus. „Einige Leute wollen, dass bestimmte Menschen aus unserem Land verschwinden sollen. Ich will das nicht. Deswegen mache ich hier heute mit“, sagt Antonius, während er sich eine zweite Farbdose schnappt. Leo neben ihm sprüht einen Buchstaben nach dem anderen und erzählt, dass drei muslimische Kinder in seiner Klasse waren, die richtig nett sind. „Die möchten auch in Würde leben. Aber manche Politiker können Ausländer nicht leiden“, sagt er. Dankbar, in Deutschland leben zu können Nach einer knappen Stunde kommen bereits Teilnehmer von der Antoniuskirche zurück. Mit dabei sind Baroa Tarbush, ihr Bruder und ihre Mama, die bei dem Projekt mitmachen. Sie sind vor zwei Jahren aus der Stadt Alhasaka in Syrien geflüchtet. Baroa erzählt, dass es dort, wo sie herkommt,  keine Schulen, keine Krankenhäuser und keine Apotheken mehr gibt. „Alles ist zerstört“, sagt die Zwölfjährige. Baroas Mama stellt ihre Sprühdose auf den Tisch und erzählt in gebrochenem Deutsch: „Wir sind so froh, dass wir hier sein können. Manchmal erzählt man uns, dass es in Deutschland Politiker gibt, die uns loswerden wollen. Dann weiß ich nicht, was ich den Kindern sagen soll. Ich will sie nicht unendlich traurig machen.“ Sandra Schmidt teilt unterdessen bedruckte Kronkorken aus. In jedem steht ein kleiner Spruch wie „Königskind“, „Mit Würde ausgesendet“ und „Worbis hat Würde“. „Es sind Kronen für die Hosentasche. Steckt sie euch als Erinnerung ein“, sagt sie dabei den Kindern. Bevor alle den Heimweg antreten, zeigt sich auch Christiane Vernaleken mit dem Nachmittag zufrieden. Die Worbiserin hat sich an der Initiative beteiligt und wünscht sich noch mehr solcher Aktionen. „So kann es weitergehen. Es muss Leute geben, die vorangehen. Und die haben wir in unserer Pfarrgemeinde. Man muss einfach etwas tun gegen Strömungen, die demokratiefeindlich sind. Und die gibt es leider genug.“ Kinder setzen in Worbis Zeichen für Menschenwürde
Andrea Wilke In seinem Fastenhirtenbrief bezieht sich Bischof Ulrich Neymeyr auf die acht „Zeichen der Hoffnung“, die Papst Franziskus in der Verkündigungsbulle zum Heiligen Jahr 2025 benannt hat. Jedem dieser Zeichen fügt der Bischof eigene Gedanken hinzu. Andrea WilkePressereferentin Bistum Erfurt Da heißt es zum Beispiel beim dritten Hoffnungszeichen, das den Gefangenen gewidmet ist: „Mir fällt auf, dass, wenn einmal in den Fürbitten für Gefangene gebetet wird, dies immer mit der Einschränkung versehen wird, dass sie zu Unrecht im Gefängnis sind. Wir sollten auch für die Gefangenen beten, die zu Recht im Gefängnis sind.“ Das ist ja stark. Wer im Gefängnis sitzt, hat nicht nur Kaugummi an der Kasse geklaut, sondern wirklich schlimme Taten begangen. Manche haben Unschuldigen sogar das Leben gekostet. Mir gab dieses Hirtenwort noch einmal den Anstoß, auch für die zu beten, bei deren Namensnennung mein Gefühlspegel ins Negative ausschlägt. Angefangen von mächtigen Herren in der Welt, deren Namen ich aufgrund ihres Bekanntheitsgrades nicht eigens nennen muss, bis hin zu Menschen aus dem Umfeld, die ich mitunter lieber von hinten als von vorn sehe. Doch Jesus bürstet in dieser Hinsicht ganz klar gegen den Strich, also gegen menschliches Verständnis im Umgang mit Unliebsamen. In der gerade begonnenen Fastenzeit ist das für mich ein guter Vorsatz: für die zu beten – ohne Hintergedanken, sondern wirklich um ihretwillen – für die es mir schwerfällt, ihnen etwas Gutes zu wünschen. Das Abwegige kann manchmal sehr christlich sein. Krass, oder? Anstoß 06/2025
Foto: imago/Jochen Tack Wie lassen sich Ausgelassenheit und Frohsinn rechtfertigen, bei all den Kriegen, Hunger und Not auf der Welt? Daniel Bertram stammt aus dem Eichsfeld. Dort leben nicht nur überdurchschnittlich viele Katholiken, auch der Karneval spielt in der Gegend eine wichtige Rolle. Als wir im Frühjahr 2022 nach langer Pause aufgrund der Lockdowns endlich wieder Karneval feiern durften, begann der Krieg in der Ukraine; am „fetten Donnerstag“ (der Donnerstag vor Aschermittwoch), also kurz vor den traditionsreichen „Tollen Tagen“. Plötzlich brach sich eine Frage Bahn: Dürfen wir, unter diesem Umstand, am Wochenende Karneval feiern? Ja! Das war unsere Antwort. Kurzerhand haben wir unseren Karnevalsumzug in einen Friedensumzug umgetauft und haben zum ersten Mal in der Geschichte unseres Vereins Geld gesammelt und zwar für Caritas International, zweckgebunden für die Ukraine. Wir haben, wiederum erstmals, alle Straßen des Dorfes besucht, haben an allen Häusern geklingelt und hatten nichts außer einem umgebauten Einkaufswagen als Motivwagen, spitzen Zungen, Karnevalsmusik und Spendendosen. Frohsinn verbreiten – egal, wie die Stimmung ist Unsere Einsicht und unser „Ja“ waren keine diskussionslosen Selbstläufer. Als die Nachricht vom Krieg in unsere Vorbereitung platzte, waren wir zunächst betroffen. Und ratlos. Dann haben wir unsere Gedanken geteilt. Kritische Stimmen gaben zu bedenken, dass es vielleicht ein Zeichen mangelnder Pietät sei. In Nachbarorten wurden Umzüge deswegen abgesagt. Aber es gab auch andere Stimmen: Das sei unsere Möglichkeit, als Karnevalisten ein Zeichen zu setzten. Ist es nicht unsere Aufgabe, Frohsinn zu verbreiten, ganz gleich, wie die Stimmung ist? Was können wir tun? Erst zum Friedensgebet in die Kirche, dann zum Umzug auf die Straße! Im Nachhinein erkenne ich: In dem Moment, wo die positive Umdeutung stattfand – der Gedanke, nicht ohnmächtig stehen zu bleiben und die Nachrichten zu verfolgen, sondern selbst etwas tun zu können, die Chance etwas beizutragen – ja, in dem Moment schlug die Stimmung um. Nicht im Sinne einer Rechtfertigung, sondern einer Hoffnung. Nachdem wir uns selbst vergewissert hatten, sind wir auch den Umständen und anderen gegenüber selbstbewusst geworden. Dann passierte etwas, wie ich finde, Bemerkenswertes: Wir wurden ansteckend. Ansteckender als das Virus, das uns vorher zwei Jahre fesselte. Bürger meldeten sich: Was können wir tun? Wo kann ich spenden? Kommt ihr auch zu uns? Braucht ihr Hilfe? Die Presse meldete sich: Was passiert bei euch? Warum tut ihr das? Daniel Bertram lebt im Eichsfeld, studierte Theologie an der Universität Erfurt und promovierte dort auch 2016 am Lehrstuhl für Moraltheologie und Ethik. Er war ehrenamtlicher Bürgermeister in Berlingerode, inzwischen arbeitet er in der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Erfurt. Mit einem Mal waren wir Karnevalisten, die wir sonst selbstverständlich andere Institutionen und Personen auf der Bühne in die Mangel nahmen, selbst angefragt und aufgefordert, uns zu reflektieren. Warum und wofür machen wir das? Was ist unser Anliegen? Was ist unsere Botschaft? Oder anders (Karnevalismus und Pragmatismus sind, möchte ich behaupten, enge Freunde): Dürfen wir das? Warum haben wir das gemacht? Nun, um es konkret vorwegzunehmen: Uns ist (neu) bewusst geworden, dass wir den Karneval nicht „trotz“, sondern „wegen“ feiern. Was ich damit meine? Wir Karnevalisten sind keine weltfremden Spinner, die blind für die Probleme und Konflikte dieser Welt durch das Leben gehen und einmal im Jahr feiern, als gäbe es diese nicht. Uns ist – und das finde ich noch einmal wichtiger zu betonen – auch nicht egal, was in der Welt passiert. Wir legen nicht die Ohren an und denken, wenn wir nur laut genug „Helau“ rufen, wird schon alles gut – oder uns nicht betreffen. Nein! Ganz im Gegenteil. Wir sind uns sehr wohl bewusst, was und wieviel in unserem Ort, dem Land und der Welt schief läuft; wir sezieren es sogar bisweilen auf der Bühne. Aber wir haben entschieden, dass wir damit leben (müssen). Insofern ist Karneval nicht unsere Droge, die uns berauscht oder vergessen macht, sondern unsere Bewältigungsstrategie. Es ist unsere Art, damit umzugehen. Für mich stehen zwei Karnevalslieder stellvertretend für mein Verständnis der Narretei. Ein sehr altes, traditionsreiches und ein modernes. Das erste ist „Heile, heile Gänsje“ von Ernst Neger. Ein karnevalistisches Lied, entstanden in einer Zeit, in der Mainz nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche lag. Genau in dieser Situation, das muss man sich einmal vorstellen!, steht ein Mann zum Karneval auf der Bühne, der davon singt, dass alles wieder gut wird. Nicht trotz der katastrophalen Bedingungen, sondern wegen der Notwendigkeit, darauf zu reagieren. Das zweite Lied ist „Unser Stammbaum“ von den Bläck Fööss. Es handelt davon, dass wir alle, mit unterschiedlicher Herkunft und Biografie, gemeinsam im Karneval zusammenstehen. Nicht trotz dieser Unterschiede, sondern wegen ihnen ist der Karneval so bunt. Karneval lehrt uns doch, über unsere Eitelkeiten wie Schwächen, gesellschaftliche Stellung, Macht wie Unvermögen, hinwegzusehen. Wir leugnen Unterschiede, Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten nicht: Wir erklären sie aber im Karneval für nicht ausschlaggebend für das Zusammenleben! Ist Ihnen das zu pathetisch? Zeichne ich hier ein Ideal? Ist da die Hoffnung Mutter des Gedanken? Nichts wird besser, wenn man in Traurigkeit vereinsamt Bitte glauben Sie nicht, ich wäre nur weit genug weg vom Leid, um es ernst zu nehmen. Als im November 2023 unser Sohn plötzlich starb, dachte ich, nie wieder fröhlich Karneval feiern zu können. Es braucht nicht die globalen Katastrophen und die Weltpolitik, um schier bodenlose Verzweiflung zu fühlen. Aber mit der Zeit hat sich die Einsicht (erneut) Bahn gebrochen, dass nichts besser wird, aber wirklich gar nichts, wenn ich in meiner Traurigkeit vereinsame. Ich habe den Karneval auch hier nicht genutzt, um mich wegzuducken. Sondern als Bewältigungsstrategie. Nicht trotz meines Leids, sondern wegen des Leids. Der Frage, wieso Gott Böses zulässt, wird oft mit der Begründung begegnet, dass der Mensch frei ist und das heißt auch frei, Böses zu tun und anderen Leid zuzufügen. Ist es Ihnen zu gewagt, wenn ich sage, Karneval setzt auch auf die menschliche Freiheit, nämlich die, der Not und dem Leid auf der Welt mit Gemeinschaftssinn, Frohsinn und Hoffnung zu begegnen? Ich jedenfalls möchte das glauben. Was glauben Sie? // Daniel Bertram Trotz Kriegen und Krisen Karneval feiern
Johanna Marin Foto: Anja Schlender Heidi Klimmasch bereitet die Wahl vor. Erstmals wählen die Pfarreigremien im Bistum Magdeburg Vertreter für den „erweiterten Bistumsrat“, in dem nun Ehrenamtliche aus allen Pastoralregionen Kirche mitgestalten. Seit sechs Jahren kreist das Wort „synodal“ durch katholische Medien und Gesprächsrunden. „Synode“ stammt aus dem Griechischen und lautet übersetzt „gemeinsamer Weg“. Das erklärte Ziel ist, dass sich Menschen in der Kirche gemeinsam auf den Weg machen, das Evangelium zu verkünden. Das Bistum Magdeburg will diesen gemeinsamen Weg nun einschlagen. Bischof Gerhard Feige plädierte dafür, „im Hören aufeinander und auf das Evangelium nach dem Weg der Kirche zu fragen und das Evangelium in unserer Zeit zu leben“. 2022 beschlossen die Mitglieder des Bistumsrates, in Anlehnung an einen Textentwurf des Synodalen Weges, die Idee eines Synodalrates umzusetzen. Daher wird der bereits seit 2008 existierende Bistumsrat ein „erweiterter Bistumsrat“. Erweitert, nicht im Sinne von „mehr“, sagen die Wahlausschussvorsitzenden Heidi Klimmasch und Stephan Werner, sondern im Sinne von „vielfältiger“. Wo bisher fast ausschließlich Hauptamtliche tätig waren, werden nun auch 14 gewählte Ehrenamtliche mit beraten und entscheiden. Die insgesamt 40 Mitglieder des Rates besprechen unter anderem pastorale Perspektiven, Gremienstrukturen und Personal- sowie Finanzplanungen, die das gesamte Bistum betreffen. Dabei ändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Rates, erklärt Heidi Klimmasch, sondern auch die Kompetenz: „Der bisherige Bistumsrat war eher in beratender Funktion tätig. Der erweiterte Rat soll auch Mehrheitsbeschlüsse fassen.“ Der Bischof setzt die Entscheidungen in Kraft. Zusammensetzung und Aufgabenbereiche des neuen Rates wurden vom alten Bistumsrat selbst erarbeitet und nach Rücksprache mit anderen Gremien und Räten im Bistum beschlossen. Auch die Gremienkonferenz der Ehrenamtlichen konnte Änderungsvorschläge einbringen. Der Entstehungsprozess war nicht immer einfach, erzählt Heidi Klimmasch, da unter anderem viele der Hauptamtlichen nun nicht mehr selbst im Bistumsrat sitzen werden. Für den Rat konnten Katholiken ab 16 Jahren kandidieren, die nicht hauptamtlich im Bistum arbeiten. „Bitte ermutigen Sie Frauen und Männer, die Freude haben am Glauben und Leben in der Kirche und Mitverantwortung übernehmen wollen“, hieß es im Aufruf an die Gemeinden zur Wahl. Die Pfarreigremien wählen per Briefwahl bis zum 1. März ihre ehrenamtlichen Vertreter. Dem Rat, der sich am 5. April konstituieren wird, gehören außerdem der Bischof, der Generalvikar sowie Vertreter anderer katholischer Gruppierungen wie Ordensgemeinschaften und Caritas an. Auch Jugendverbände und Pfarreien sollen Jugendliche in den Rat entsenden. Außerdem werden zwei anders-muttersprachliche Personen in den Rat berufen, um die Perspektive anderer Nationalitäten einbringen zu können. Heidi Klimmasch hofft, dass dieser erweiterte Bistumsrat eine neue Dynamik ins Bistumsleben bringt: „Ich wünsche mir, dass die Mitglieder Impulse der Menschen aus den Pfarreien und Gemeinden einbringen und neue Ideen entwickeln.“ Erweiterter Bistumsrat im Bistum Magdeburg
Dorothee Wanzek Foto: shutterstock/FamVeld Mit Kindern über die kleinen Wunder der Natur staunen – für die Görlitzer Umweltbeauftragte Gabriele Kretschmer ein Hoffnungszeichen im Heiligen Jahr. Die Umweltbeauftragte des Bistums Görlitz rückt im Heiligen Jahr die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus erneut in den Blick. „Pilger der Hoffnung“ sein und Schöpfung bewahren, gehört zusammen, findet sie. Sie bringen das Jahresmotto des Heiligen Jahres, „Pilger der Hoffnung“, in Verbindung mit Papst Franziskus’ Enzyklika „Laudato Si’“. Warum? Beide Ideen sind ja Ideen von Papst Franziskus. Noch wichtiger ist mir: Beides ist gar nicht voneinander zu trennen. Wir Christen sind doch immer Pilger durch unser Leben. Unser Markenzeichen, die Hoffnung, begleitet uns auf diesem Weg, der uns durch die Schöpfung und zu den Menschen führt, denen wir begegnen. Ich wüsste kein Argument, das dagegen spricht, im Heiligen Jahr der Hoffnung unseren Blick auf die Schöpfung zu richten. Was könnten Gemeinden oder einzelne Christen tun, um in diesem Jahr Hoffnungszeichen für die Schöpfung zu setzen? Ich begegne vielen Menschen, die meinen, alles im Leben selbst in der Hand zu haben und regeln zu können. Hoffnung verbreitet dagegen, wer das Staunen neu lernt und mit der Bereitschaft durch die Natur geht, sich von Gott überraschen zu lassen und zu staunen. Dafür muss man nicht weit weg fahren. Vielleicht entdecken Sie in dieser grauen Zeit in einem nahegelegenen Park die ersten aufkeimenden Knospen und staunen über dieses Wunder. Fragen Sie in Ihrer Gemeinde, wer Lust hat auf einen Spaziergang durch die Natur. Packen Sie sich etwas zu essen ein und ziehen Sie gemeinsam los! Sehen Sie die Kinder und Jugendlichen in Ihrer Umgebung nicht nur als Ärgernis, freuen Sie sich an ihnen, lassen Sie sich von ihnen inspirieren! Gerade die Jüngeren beginnen oft noch so ganz frei von Vorurteilen fröhlich ihr Tagewerk und staunen über kleine Dinge. Wichtig scheint mir auch, dass man es sich selbst schön macht. Auch wer allein lebt, kann sich morgens ein Licht anzünden oder einen Spruch aufschreiben, der ihn den Tag über begleiten und stärken kann. Wer sich gut um sich selbst kümmert und es sich ein bisschen schön macht, der wird vielleicht auch seiner Nachbarin freundlicher begegnen. Ihm werden Kleinigkeiten einfallen, mit denen er andere erfreuen kann. Was hat Ihre ganz persönliche Hoffnung in der vergangenen Woche gestärkt? Ganz unverhofft bin ich in diesen Tagen Menschen begegnet, die wie ich auch Hoffnungsmenschen sind – ältere und ganz junge. Es gibt mir Hoffnung zu spüren, dass ich nicht allein unterwegs bin. Sehr bestärkend ist für mich auch das Gebet, mein Vertrauen, dass Gott uns nicht fallen lässt. Das prägt mich sehr, auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass uns gerade alles über dem Kopf zusammenfällt. Umweltschutz passt zum Heiligen Jahr 2025
Lissy Eichert Die Veranstaltung war fair und sachlich geplant. Wir hatten alle sechs Direktkandidaten aus Neukölln eingeladen. Es sagten alle zu – auch die AfD. Es sollte eine Podiumsdiskussion vor der Wahl werden, mit Publikumsbeteiligung. Lissy EichertPastoralreferentin in Berlin Ja, es gab große Bedenken einiger Gemeindemitglieder, die die Ausladung der AfD forderten. Andere Gruppen wollten gar nicht erst kommen. Aber wir wagten es gemäß der Jahreslosung: „Prüft alles und wählt das Gute!“ (vgl. 1 Thess 5,21) Dann sagten drei Kandidaten wieder ab. Zwei von ihnen, weil sie nicht zusammen mit der AfD auf ein Podium steigen. Das war das Aus der Veranstaltung. Wähler und Wählerinnen wurden irritiert und verärgert zurückgelassen. Nur die AfD zog Profit, stellte die anderen Parteien als feige hin. Sind wir feige? Ist Ausgrenzung ein Triumpf für die Demokratie? Ausgrenzung hat bisher nicht dazu beigetragen, dass die in Teilen rechtsextremistische Partei irgendwie schrumpft – ganz im Gegenteil. Christliche Streitkultur kann sich in der Auseinandersetzung mit schweren Positionen bewähren. Wie also geht christlich streiten? Mit Nächstenliebe. Klingt blöd, oder? Angstfrei. Weil Angst dazu führt, irrational zu denken und zu handeln. Respektvoll. Ich will nicht selbst einem toxischen Gedankengut verfallen und meinerseits Verfechtern extremer Positionen die Menschenwürde absprechen. Mich beeindruckt, dass Jesus mit Zöllnern (Kollaborateure der Besatzer) gegessen und geredet hat, worüber sich viele aufgeregt haben. Aber diese Begegnung mit Jesus hat das Verhalten der Menschen geändert! Widerständig. Jesus scheute den Konflikt nicht. Manchmal ist es hart, mit Nächstenliebe in den Konflikt zu gehen. Ich möchte glauben, dass wir jetzt, nach der Wahl, keine Angsthasen sind. Sondern, dass Jesus uns den Rücken stärkt, wenn wir mutig versuchen, richtig zu streiten. Anstoß 05/2025

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