Elisabeth-Gymnasium HalleSchüler diskutieren mit Merkel
Wie konnten junge Männer in der NS-Zeit zu Massenmördern werden? Um über dieses Thema zu sprechen, trafen sich Schülerinnen und Schüler des katholischen Elisabeth-Gymnasiums Halle mit der Bundeskanzlerin a.D., Angela Merkel, in Berlin. Zunächst wurde ein Dokumentarfilm vorgeführt - dann gab es eine Podiumsdiskussion.
Erscheinungsdatum: 3. Februar 2025
von Julius Waack, Lennox Wagner, Liam Hecht, Thomas Dölle
„Was ist eigentlich essentiell für die Demokratie, damit so etwas nie wieder passieren kann? Denn wir können nicht einfach davon ausgehen, dass die Menschen, die heute leben, schon per se besser sind als die Menschen, die damals lebten.“ Dies waren Kernsätze von Angela Merkel, welche über dem Dienstagabend, 21.01.2025 als Leitmotto hätten stehen können – in einer Dialogveranstaltung zwischen ihr, der Altkanzlerin, und eingeladenen jungen Menschen, zu denen auch 50 Schülerinnen und Schüler des Elisabeth-Gymnasiums gehörten.
Das Besondere für uns war die mediale Begleitung. Mit einem vom MDR gesponserten Bus ging es am Nachmittag von Halle nach Berlin, zum Delphi-Filmpalast, dem Ort der Veranstaltung. In einer crossmedialen Berichterstattung wurden schon während der Fahrt erste Stimmen von Lars Wohlfahrt, MDR-Moderator, mit eingefangen, die etwas zeitversetzt im laufenden Programm von MDR-Sachsen-Anhalt gesendet wurden. Das war für uns ein besonderes Erlebnis. Ebenso, dass im „Delphi“ auch Fernsehkameras die Veranstaltung rundum begleiteten – und wir mittendrin.
Filmvorführung “Das vergessene Fotoalbum der SS”
2025 ist das 80. Befreiungsjahr des Konzentrationslagers von Auschwitz. Aus diesem Anlass hatten der MDR und Spiegel TV auf der Grundlage der wissenschaftlichen Arbeit des Historikers Stefan Hördler die Dokumentation „Das vergessene Fotoalbum der SS“ produziert. Im Film wird, basierend auf den Fotos in diesem Album, die Entwicklung eines jungen Mannes aus Mitteldeutschland vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher verdeutlicht. Dies bildet jedoch nur den Rahmen für die weitere Erkenntnis, dass das Ausbildungslager, das KZ Lichtenburg in Prettin (bei Torgau) eine regelrechte Kaderschmiede für zukünftige KZ-Lagerkommandanten war.
Besonders eindrücklich waren die immer wieder scheinbar alltäglichen Situationen, welche abgebildet wurden, wie z.B. ein harmonisches Abendessen, Beisammensein an Weihnachten oder Gruppenbilder. Interessant war dabei die neue und noch wenig beleuchtete Perspektive der Täter.
Podiumsdiskussion vor 400 Zuschauern mit Caren Miosga
Der Höhepunkt des Abends war die im Anschluss an den Film geführte Podiumsdiskussion mit Angela Merkel. Auf dem Podium, vor ca. 400 Zuschauern (neben 200 Schülern aus Leipzig, Berlin und uns auch prominente Gäste aus Politik, Film und Filmproduktion) saß auch unserer Schüler Gregor Litwinenko. In einer angeregten Diskussion, geleitet von ARD-Fernsehmoderatorin Caren Miosga, ging es um die Kernfragen, wie Geschichte und Gegenwart zueinanderstehen, was Demokratie mit Geschichte zu tun hat und wie die Gesellschaft mit den Erfahrungen der Vergangenheit so umgehen kann, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Für alle im Kinosaal Sitzenden wurde deutlich, dass es im Hinblick auf gegenwärtige Tendenzen in unserer Gesellschaft sehr aktuelle Fragen sind. Und dass diese mit Schülerinnen und Schülern diskutiert wurden, zeigt, dass wir ernst genommen werden in der Auseinandersetzung mit diesen Fragen.
Einer der zentralen Punkte der Podiumsdiskussion war die Frage nach der Rolle von sozialen Medien in der heutigen Meinungsbildung. Auf die Frage, inwieweit die Beeinflussung der Jugend durch Social Media eine Gefahr für unsere Politik ist, antwortete Merkel, dass die Radikalisierung und Polarisierung von Teilen der Bevölkerung von ihr als sehr besorgniserregend und in Hinblick auf die Zukunft auch beängstigend wahrgenommen würden. Deshalb sehe sie auch ein Risiko für unsere Demokratie und würde es auch unter bestimmten Umständen als empfehlenswert erachten, einige Plattformen zu regulieren, wenn das gezielte Verbreiten von Fake News und Hetze weiter zunehmen sollte.
Auch ging die Altkanzlerin auf Nachfrage Gregors darauf ein, wie sie die Aufarbeitung der NS-Zeit in der DDR wahrgenommen hat. Sie kritisierte dabei, „dass ein Bild projiziert wurde, dass die BRD voll von Nazis sei und die DDR davon bereinigt war.“
Auch gab sie zu, dass in den vergangenen Jahren zu wenig in politische Bildung investiert worden sei, dies aber ein großes Anliegen der Politik sein sollte. So würde auch dem Rechtsruck entgegengewirkt und die Demokratie stabilisiert, so Merkel.
Positives Fazit von Schülern und Schülerinnen
Wir Schüler haben diese Veranstaltung als äußerst interessant und lehrreich empfunden. Für alle von uns war es eine einmalige Chance, Fragen an die frühere langjährige und erfahrene Bundeskanzlerin zu stellen. Hinzu kam, dass der Dokumentarfilm eine völlig neue Seite der NS-Verbrechen beleuchtet hat. Unserer Meinung nach ist es genau so wichtig, auch die in der Dokumentation dargestellte Täterseite zu beleuchten und nicht ausschließlich die Opferseite. Dies ist laut der Meinung vieler der befragten Schüler aber essenziell, um überhaupt diesen dunklen Abschnitt der deutschen Geschichte zu verstehen und zu verhindern, dass sich Geschichte wiederholt.
Quelle: Elisabethgymnasium Halle; Pressestelle Bistum Magdeburg, presse@bistum-magdeburg.de