Mechtenberg hat Spuren hinterlassen
Lothar-Kreyssig-Friedenspreis für Publizisten Theo Mechtenberg
Mit einer feierlichen Preisverleihung in der Johanniskirche wurde der Publizisten Theo Mechtenberg (88) mit dem Lothar-Kreyssig-Friedenspreis geehrt. Er wurde für sein über 40-jähriges Engagement für die deutsch-polnische Versöhnung ausgezeichnet.
Der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige nahm in seinem Grußwort die Begründung der Jury auf: „Mit Ihren profunden Kenntnissen sind Sie seit einem halben Jahrhundert zu einem bedeutenden Vermittler polnischer Kultur und polnischer Entwicklungen in Geschichte und Gegenwart geworden. Ich freue mich deshalb, dass Ihr Lebenswerk heute durch den Lothar-Kreyssig-Preis wieder neu ins Bewusstsein gehoben wird. Diese Preisverleihung stellt uns allen auch vor Augen, dass die Versöhnung zwischen Deutschland und Polen noch längst nicht abgeschlossen ist. Gerade die national-konservative Ausrichtung der derzeitigen polnischen Regierungspartei fordert all diejenigen heraus, die sich für die europäische Integration, für eine offene Gesellschaft und für Rechtsstaatlichkeit einsetzen – innerhalb und außerhalb von Polen.“
Dr. Theo Mechtenberg sieht die Errungenschaften der deutsch-polnischen Versöhnung aktuell gefährdet und nimmt die Verbreitung antideutscher Stimmung von den regierenden Nationalkonservativen wahr. Er hofft aber, dass die Beziehungen keinen dauerhaften Schaden nehmen. „Was in der Vergangenheit geschehen ist, vergeht nicht“, so der Publizist. Es komme vielmehr darauf an, in welchem Geist wir die Vergangenheit aufriefen: Im Geist der Feindschaft oder im Geist der Versöhnung.
Auch Bischof Feige ging auf die aktuelle Situation ein. „In Polen selbst geht die katholische Kirche inzwischen immer mehr auf Distanz zur gegenwärtigen Regierung. Gerade im Hinblick auf solche aktuellen Entwicklungen unseres Nachbarlandes“, so Feige weiter, „stellen Sie Ihre publizistische Tätigkeit nach wie vor in den Dienst der Verständigung und Versöhnung. Ja, Sie haben Spuren hinterlassen, in Polen, in Deutschland, in der katholischen und auch in der evangelischen Kirche.“
In seinem Grußwort geht Feige auch auf das Wirken Mechtenbergs in der DDR ein: „Als Bischof von Magdeburg ist es mir eine besondere Freude, Ihnen an diesem Ehrentag meine große Anerkennung auszusprechen. In besonderer Weise ist es Ihnen zu verdanken, dass das kirchliche Engagement in der DDR im Dienst deutsch-polnischer Versöhnung nicht in Vergessenheit geraten ist. Ja, mehr noch: Weil Sie selbst aufs Engste mit diesem Engagement verwoben sind, können Sie aus eigener Erfahrung bezeugen, in welchem Maße gerade das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg ein frühes Zentrum kirchlicher Polenkontakte war. Mit dem Rückhalt von Bischof Friedrich Maria Rintelen und von Hugo Aufderbeck, dem damaligen Leiter des Seelsorgeamtes, war es vor allem Günter Särchen, der schon Ende der 1950er Jahre von Magdeburg aus unzählige Kontakte mit polnischen Bischöfen, Publizisten und namhaften Intellektuellen geknüpft hatte. Und es ist sicher nicht zu hoch gegriffen, wenn man den Versöhnungsbrief der polnischen Bischöfe in einem Zusammenhang mit diesem Netzwerk sieht.
Mit den vielfältigen Initiativen, die auf diese Geste der Versöhnung folgten, ist auch Ihre Person, ganz entscheidend verbunden. Als Priester aus dem Erzbistum Paderborn stammend, haben Sie sich freiwillig für den Dienst in der DDR entschieden. Schon in Ihrer Zeit als Studentenseelsorger in Magdeburg und als Leiter des Arbeitskreises „Pacem in terris“ haben Sie nach Wegen gesucht, die Versöhnung, die die Bischöfe angeregt hatten, in die Tat umzusetzen. Als die von Lothar Kreyssig ins Leben gerufene „Aktion Sühnezeichen“ im Jahr 1967 von staatlicher Seite verboten wurde, haben Sie z.B. in eigener Verantwortung „illegale“ Arbeitseinsätze von Studenten der Katholischen Hochschulgemeinde in Polen organisiert. Parallel dazu haben Sie in den 60er Jahren zusammen mit Günter Särchen sowohl ein Seelsorgekonzept für die vielen polnischen Vertragsarbeiter entworfen als auch mit den damals so genannten „Polenseminaren“ eine intensive Bildungsarbeit aufgebaut, in der die deutschen Teilnehmer mit der Geschichte und Kultur des polnischen Volkes vertraut gemacht wurden."
Der Lothar-Kreyssig-Friedenspreis wird alle zwei Jahre von der Lothar-Kreyssig-Friedensstiftung verliehen, die sich auf Initiative des Evangelischen Kirchenkreises Magdeburg im Jahr 1999 gegründet hatte. Die Auszeichnung ehrt Personen oder Gruppen, die sich für die Versöhnung von Menschen in Europa oder Israel einsetzen. Unter den Preisträgern sind der ehemalige polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki (1927-2013) und die frühere FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher (1921-2016). Preis und Stiftung sind nach dem früheren Präses der damaligen Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen, Lothar Kreyssig (1898-1986), benannt. Er hatte 1958 die «Aktion Sühnezeichen» zur Versöhnung der Deutschen mit ihren osteuropäischen Nachbarn gegründet.
Das gesamten Grußwort von Bischof Dr. Gerhard Feige an den Preisträger des Lothar-Kreyssig-Friedenspreis, Dr. Theo Mechtenberg