Nicht unter unserer Würde
Brief des Bischofs von Magdeburg zur österlichen Bußzeit 2018
In seinem österlichen Hirtenbrief, beschäftigt sich Bischof Dr. Gerhard Feige mit der Frage, wie wir miteinander umgehen. „Viele Hemmungen sind gefallen, Umgangs- und Verständigungsformen werden rauer, unverschämtes Verhalten greift immer mehr um sich. „Wir erleben“ – so beschreibt es ein Manifest des bayrischen Lehrerverbandes – „eine Aggressivität, eine Sprache des Hasses, der Geringschätzung und Diskriminierung, persönliche Beleidigungen, bewusste Kränkungen und Ausgrenzung in Wort und Handeln. Vor allem tragen rechtsextreme und populistische Gruppierungen zu dieser Verrohung bei.“
„Solche Entwicklungen machen sogar vor Christen nicht Halt. Auch unter uns gibt es einzelne Personen, bestimmte Kreise und gewisse Richtungen, die dafür anfällig sind, sich selbst und ihre Überzeugung zum alleinigen Maßstab aller Dinge zu machen, unversöhnlich zu polarisieren und Andersdenkende zu diffamieren. Dabei ist deren Sprache nicht unbedingt zimperlicher als die anderer Zeitgenossen.“
Dagegen hält das deutsche Grundgesetz mit seinem Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Bischof Feige weiter: „Auch wenn manchmal darüber diskutiert wird, was genau damit gemeint ist, kommt doch in unserem Land keine Debatte über ethische Fragen ohne den Verweis auf die Menschenwürde aus. Für uns Christen gilt diese ausnahmslos allen Menschen, unabhängig von Herkunft und Geschlecht, Nationalität und Religion. Auch nicht Stärke und Macht, Reichtum und Schönheit oder Intelligenz und Erfolg sind dafür ausschlaggebend.
Im Gegenteil! Unabhängig von alledem ist jeder Mensch von Gott geschaffen und geliebt, gewissermaßen von ihm geadelt, sogar sein Ebenbild, zur Gemeinschaft mit ihm und untereinander berufen. Und das gilt vom Embryo bis hin zum Sterbenden.“
Auch die Bibel weiß, wie schwer es uns Menschen fällt, so zu leben. „Kain bringt seinen Bruder Abel um. Auch andere Gebote Gottes werden übertreten. Es kommt zu „Sodom und Gomorra“.
„Das ist eine Wirklichkeit, wie wir sie auch heute noch erfahren. Zugleich hat uns Jesus Christus, indem er selbst Mensch geworden ist, den Tod durchlitten hat und von Gott auferweckt wurde, dazu befreit und befähigt, als „neue Menschen“ zu leben.“
Die österliche Bußzeit bietet viele Möglichkeiten, damit Ernst zu machen. Aber was bedeutet das konkret? „Zunächst wäre es wohl angebracht, sich wieder einmal auf das zu besinnen, was allen Menschen eigen sein müsste: mit Anstand zu leben. Und das meint: in den großen und kleinen Fragen des Lebens grundsätzlich mit anderen solidarisch zu sein.“
„Mehr noch als anständig zu leben, bedeutet es, Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Denken zu lieben und – ebenso wichtig – seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Das sind für uns Christen gewissermaßen die zwei Seiten der einen Medaille. Andere Menschen – gerade fremde – nicht nur nicht unterdrücken, sondern sogar lieben zu sollen, ist dabei sicher eine der größten Kulturleistungen, die das Alte und das Neue Testament hervorgebracht haben, im konkreten Fall aber freilich oftmals eine Zumutung. Daran zeigt sich jedoch, wie sehr wir uns tatsächlich auf Jesus Christus einlassen oder nicht.“
Schließlich hat er sogar dazu aufgefordert, die Feinde zu lieben. Nur so kann wohl auch der Kreislauf von Hass und Gewalt durchbrochen werden. Guter Wille allein aber reicht dabei nicht aus. Manches sollte man gelassen und tapfer ertragen, anderes sachlich richtigstellen oder entschieden zurückweisen. Auf jeden Fall wäre es kontraproduktiv zu versuchen, Primitives mit Primitivem zu vergelten oder andere darin sogar noch zu übertrumpfen. Sind jedoch Schwächere in Gefahr, ist gegebenenfalls auch gewaltloser Widerstand zu leisten. Mitmenschlichkeit muss zumeist durch Anfechtung und Bedrohung hindurch immer wieder geduldig errungen, mutig geschützt und fantasievoll gelebt werden.
„Achten wir darauf, wie wir miteinander umgehen! Lassen wir uns nicht zu ungehörigen Reaktionen hinreißen! Besinnen wir uns erneut darauf, dass Gott uns selbst und jeden anderen Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat und liebt. Bemühen wir uns um ein anständiges und friedliches Miteinander! Leben wir nicht unter unserer Würde!“
Den ganzen Fastenhirtenbrief finden Sie hier.