Gesegnete, gnadenbringende Weihnachten
Weihnachten als Chance, Spaltungen zu überwinden und Versöhnung zu schaffen
Mit einer feierlichen Vigilfeier und Pontifikalchristmette begangen die Christen in Magdeburg den Heiligen Abend in der Kathedrale St. Sebastian. Bischof Dr. Gerhard Feige machte deutlich, dass die Gnade Gottes in dieser Nacht für alle erschienen ist, auch für die, denen es gerade nicht so gut ginge.
In seiner Predigt fragte der Bischof, welche Gestalten der Weihnachtsgeschichte die wichtigsten seien. „Die wenigsten würden sich auf Ochs und Esel festlegen“, so Bischof Feige. Aber diese so unterschiedlichen Tiere, die sich gemeinhin nicht vertragen, stehen an der Krippe so einträchtig beieinander, dann „ist dies auch ein Ausdruck dafür, dass Gott mehr vermag als wir Menschen und nichts als völlig aussichtslos erscheint. Allen – so die damit verbundene Botschaft – kann das Kind in der Krippe unnötige Sorgen und Ängste nehmen, Befreiung oder wenigstens Erleichterung verschaffen und neue Hoffnung bringen.“
Erfahrungen mit der Wirklichkeit zeigten aber etwas ganz anderes: „Auch weiterhin gibt es massive Gegensätze und Barrieren zwischen: Einheimische und Fremden, Gewinnern und Verlieren, Herrschern und Beherrschten.“
Unsere Gesellschaft scheint immer weiter auseinanderzudriften. „Wie viele Verwerfungen und Spaltungen machen uns doch zu schaffen. „Die Republik teilt sich.“ So hieß es schon vor Jahren, und: „Nie in ihrer Geschichte lagen Reich und Arm weiter auseinander. Auf der einen Seite wächst der Wohlstand, auf der anderen die Gruppe der wirtschaftlich Ausgegrenzten.“ Und die Auseinandersetzung um die Flüchtlinge hat noch deutlicher werden lassen, welche Vorurteile und Ängste doch verbreitet sind, wie zerbrechlich und unsicher auch unsere Demokratie zu sein scheint. Viele Hemmungen sind gefallen, Umgangs- und Verständigungsformen werden rauer, unverschämtes Verhalten greift immer mehr um sich. „Wir erleben“ – so haben es Lehrer einmal beschrieben – „eine Aggressivität, eine Sprache des Hasses, der Geringschätzung und Diskriminierung, persönliche Beleidigungen, bewusste Kränkungen und Ausgrenzung in Wort und Handeln.“ Vor allem tragen rechtsextreme und populistische Gruppierungen dazu bei. Dadurch hat sich auch der Ton politischer Debatten verändert. Bei Demonstrationen, in manchen Schreiben und vor allem im Internet sind – anonym oder namentlich vorgetragen – Lügen und Hetze auf erschreckende Weise verbreitet. Gerade in den sogenannten sozialen Medien werden zunehmend irrationale Empörungswellen und Hasslawinen ausgelöst. Solche Entwicklungen machen sogar vor Christen nicht Halt.“
Aber in dieser Weihnachtsnacht ist die Gnade Gottes erschienen, um alle Menschen zu retten. „Ja, sie ist tatsächlich für alle Menschen erschienen. Das Kind in der Krippe überwindet viele Schranken und Klüfte. Es will überall zur Welt kommen, bei Hirten und Königen, bei Armen und Reichen.“
„Und genau dies hat Jesus Christus wahr“ gemacht; er ist zu allen hingegangen: zu Gerechten wie zu Sündern; auch zu denen, die nicht zu den gesellschaftlich Privilegierten zählten: den Zöllnern, Prostituierten und Soldaten; er hat Frauen nicht anders behandelt als Männer; er hat Kinder in den Mittelpunkt gestellt.“
Das ist nicht folgenlos geblieben und hat diese Welt verändert. Denn er hat sich mit allen getroffen, auch den Ausgegrenzten. „In Christus hatten sie die gleiche Würde, in Christus bekam ihr Leben die gleiche befreiende Perspektive. Übliche Konventionen wurden gebrochen und Tabus verletzt.“
Mit der Geburt Jesu Christi feiern wir die Güte und Menschenliebe Gottes, die auf unvorstellbare Weise allen gilt. Weihnachten ist ein Fest, bei dem es um alle Menschen geht, ja sogar um die ganze Schöpfung. Gott ist für alle und alles Mensch geworden. Ob Christ oder Nichtchrist, schwarz oder weiß, Mann oder Frau, arm oder reich: jeder und jede ist unwiderruflich von Gott gewollt und angenommen. Das ist der Angelpunkt der Menschenwürde. Es ist auch der Angelpunkt der Versöhnung und der Einheit.“
Auch wir als Kirche sind aufgerufen „uns mit den Gräben und Barrieren in unserer Gesellschaft nicht abzufinden, sondern dagegen anzugehen und zu versuchen, sie im Geiste Jesu Christi zu überwinden. Dabei ist es unsere Aufgabe, unser eigenes Leben und das Leben der anderen aus der Perspektive Gottes zu sehen, und das heißt: aus der Perspektive einer unendlichen Güte und Menschenfreundlichkeit, die Hoffnung und Befreiung stiftet.“
„Möge es uns zu Herzen gehen und bewegen, auch selbst die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes weiterzugeben, Spaltungen zu überwinden und Versöhnung zu stiften.“
Die Predigt im Wortlaut