Zwischen Primat und Synodalität
Orthodox-katholischer Arbeitskreis auf dem Weg zu einem tieferen Verständnis
Seit 15 Jahren trifft sich der gemeinsame orthodox-katholische Arbeitskreis St. Irenäus als inoffizielle Gesprächsplattform mit wachsender Vertrautheit, der sich zum Ziel gesetzt hat, den orthodox-katholischen Dialog auf internationaler Ebene zu fördern. Auf Einladung der Diözese Graz-Seckau und der Universität Graz kam der Irenäuskreis in diesem Jahr in Graz (Österreich) zusammen. Das Treffen, das im diözesanen Bildungshaus Mariatrost stattfand, wurde von dem katholischen Ko-Präsidenten des Arbeitskreises, Bischof Dr. Gerhard Feige, und seinem neuen orthodoxen Ko-Präsidenten, dem rumänischen Metropoliten Serafim (Joantă) von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa, geleitet.
Die Mitglieder sprachen auch ausführlich über die aktuelle Krise in der Orthodoxie aufgrund des Konflikts zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau mit Blick auf die Ukraine. Der Austausch fand in einer sehr aufgeschlossenen und brüderlichen Atmosphäre statt. Der inoffizielle Charakter des Irenäus-Kreises lässt das zu. Die Mitglieder stellten auch eine Studie vor, wie sie aber von der offiziellen orthodox-katholischen Dialogkommission aufgenommen wird, vermag niemand zu sagen. „Ob die darin enthaltenen Anregungen von der offiziellen Dialogkommission rezipiert werden“, so Bischof Feige, „hängt vermutlich nicht nur von der Offenheit der Beteiligten für Impulse von außen ab, sondern – leider wieder einmal – auch davon, welche Rückwirkungen der aktuelle Konflikt zwischen Konstantinopel und Moskau auf diesen Dialog haben wird. Der Irenäus-Kreis wurde aufgrund einer Krise im orthodox-katholischen Dialog gegründet. Es scheint, dass seine Existenz weiterhin notwendig ist, um diesen Dialog voranzutreiben und zu einem tieferen gegenseitigen Verständnis zu gelangen.“
Seit 2015 arbeiten 26 Theologen - 13 Orthodoxe und 13 Katholiken aus mehreren europäischen Ländern, dem Nahen Osten und Nord- und Südamerika an der gemeinsamen Studie „ Im Dienst an der Gemeinschaft“, die nun vorgestellt wurde. Inhaltlich geht es in der Studie um das Verhältnis von Primat und Synodalität und formuliert im Untertitel den Anspruch, dieses Verhältnis neu zu denken.
Die hermeneutische Reflexion bildet den ersten Hauptteil des 40 Seiten Dokumentes. „Im Laufe unserer Gespräche“, so Bischof Feige, „ wurde uns immer mehr bewusst, dass eine selbstkritische Reflexion unserer jeweiligen Interpretation der Geschichte und der daraus gezogenen systematischen Schlussfolgerungen der Schlüssel zu einem tieferen gegenseitigen Verständnis ist. Das Kapitel ist daher von grundlegender Bedeutung für den gesamten Text.“
Im 2. Hauptkapitel werden historische Beobachtungen zur Entwicklung des Verhältnisses von Primat und Synodalität formuliert. Zwar enthalte dieser Teil keine ganz neuen Erkenntnisse zur Geschichte, aber er leitet aus den Beobachtungen ab, die sich an manchen Stellen von vorgefassten Meinungen und verbreiteten Vorurteilen unterscheide.
Systematische Überlegungen zum Verständnis von „Gemeinschaft“ werden im 3. Hauptkapitel reflektiert. Dabei werden die „Gleichursprünglichkeit“ und die „Komplementarität“ des primatialen und synodalen Prinzips unterstrichen. Das abschließende Fazit fasst noch einmal die wichtigsten Gedankengänge zusammen und formuliert eine Vision für die Zukunft. „Wir plädieren hier dafür, bestimmte Positionen der Vergangenheit zu überwinden und die wesentlichen Elemente, die in beiden Traditionen bewahrt worden sind, in ein gemeinsames Verständnis des Primats zu integrieren“, so Bischof Feige. „Wir sind überzeugt, dass eine einfache Rückkehr in die Vergangenheit weder für Orthodoxe noch für Katholiken eine Lösung darstellt. Vielmehr benötigen wir eine gemeinsame, für beide Kirchen akzeptable Lösung, die den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts entspricht und auf den Stärken beider Seiten aufbaut.“
Das gemeinsame Kommuniqué – Graz 2018
Die Studie – bislang nur in englischer Sprache finden Sie hier.