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Nicht Resignation, nicht Illusion – vertrauensvoll und tatkräftig

MOMENT Interview mit Bischof Dr. Gerhard Feige

Couragiert unterwegs lautet das Motto zum 25. Jubiläum des Bistums Magdeburg in diesem Jahr. Die Wahl eines solchen Titels sagt etwas über die Geschichte eines Bistums aus und gibt Orientierung für dessen Zukunft. Wer seinem Bistum ein derart programmatisches Motto auf die Fahnen schreibt, der verbindet aber auch persönliche Erfahrungen und Hoffnungen damit.

Luzia Neubert im Gespräch mit Bischof Dr. Gerhard Feige:

Diese Ausgabe von MOMENT steht unter dem Titel „Couragiert“: Courage ist meines Erachtens vorrangig ein Geschehen unter Menschen. Couragiertes Handeln hat immer ein Gegenüber. Es geschieht in einem sozialen Rahmen, mitten in Gesellschaft. Wenn wir auf einem Baumstamm über den Fluss klettern, nennen wir das mutig – nicht couragiert. Mut gehört aber zu Courage dazu. Im Fremdwörterbuch finde ich für "Courage" die Bedeutungen: mutig und beherzt. Was verbinden Sie mit diesen Eigenschaften?

Bischof Feige: Auf jeden Fall nicht Resignation und Apathie, aber auch nicht die Illusion, wenn man nur wolle, könne man alles erreichen. Als Christen sind wir von Gott berufen und gesandt und haben jeweils konkrete Möglichkeiten und Begrenzungen, unter denen wir leben und wirken können. Auch in unserer Region haben sich viele bis zum heutigen Tag schon mutig und beherzt oder – wie man auch sagen kann – „mit Schneid“ dieser Herausforderung gestellt. Ich wünschte sehr, dass es uns trotz mancher Schwierigkeiten auch weiterhin gelingt, couragiert zu bleiben, oder mit anderen Worten ausgedrückt: hoch motiviert, vertrauensvoll, tatkräftig und zuversichtlich unseren Weg zu gehen.

"Couragiert unterwegs", so das Motto des Bistumsjubiläums. Das kann den Weg der letzten 25 Jahre beschreiben aber auch Motivation sein für das, was vor uns liegt. Wo erleben Sie Menschen heute couragiert unterwegs? Kennen Sie konkrete Situationen?

Bei meinen Visitationen, aber auch bei anderen Gelegenheiten, bin ich immer wieder erstaunt, Haupt- wie Ehrenamtliche zu erleben oder von solchen zu hören, die nach wie vor Ideale haben und weniger Ansprüche an mich oder meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen, als selbst Verantwortung übernehmen und sich mit ihren Fähigkeiten einbringen. Das gilt, um manchen Schaden zu begrenzen, kleine und große Probleme zu lösen oder neue Wege zu erschließen, und betrifft fast alle Bereiche. Besonders dringlich erscheint das angesichts dessen, dass wir mit wesentlich weniger Finanzen und Personal als in anderen Bistümern oftmals gleiche Standards zu erfüllen haben. Einzelne zu nennen, wäre ungerecht. Überall, wo aus einer Versorgungsmentalität eine kreative Mitsorge bei den gemeinsamen Anliegen und Aufgaben erwächst, spüre ich Aufwind.

Wichtige Bewährungsfelder sind zum Beispiel das Leben in unseren an Zahl zunehmenden Pfarreien ohne einen leitenden Pfarrer, die weitere christliche Prägung unserer vielfältigen Einrichtungen im Erziehungs-, Bildungs- und Sozialbereich, die Glaubensvermittlung und -vertiefung in den eigenen Reihen sowie alle Bemühungen, das Evangelium fantasievoll, berührend und anregend auch anderen Mitmenschen nahezubringen.

Ich nehme Sie als mutigen Bischof wahr und denke dabei z.B. an Ihr beherztes Engagement um einen gemeinsamen Kommunionempfang für konfessionsverbindende Ehepaare vor gut einem Jahr. Und nicht immer wird ein couragierter Einsatz nur mit Beifall beklatscht.Was macht das mit einem, wenn couragiertes Eintreten Lohn und Einbußen zugleich hervorrufen?

Als ich Bischof wurde, habe ich nicht geahnt, wie viel Gegenwind ich auch im Laufe der Zeit abbekommen würde. In den letzten Jahren hat das sogar noch zugenommen. Und so häufen sich Woche für Woche bei vielen Bischöfen Schreiben und Anrufe mit Vorwürfen, jämmerlich versagt zu haben, oder Forderungen, nun endlich die Kirche und die Welt zu retten. Den einen ist man zu liberal, den anderen zu konservativ. Für manche sind inzwischen die meisten deutschen Bischöfe dem sogenannten Zeitgeist erlegen und vom wahren katholischen Glauben abgefallen, andere dagegen beklagen deren Wirklichkeitsverlust und mangelnden Reformeifer. Auch richtiger Irrsinn landet auf meinem Schreibtisch. Da kann man sich gelegentlich schon vorkommen, als sei man Bischof von Absurdistan.

Normalerweise reagiere ich nicht aus dem Bauch heraus, sondern wohlüberlegt und lasse mich meistens zuvor durch andere beraten. Wenn ich aber von einer Sache überzeugt bin, entscheide ich auch dementsprechend und stehe dafür ein. Kritik gegenüber bin ich durchaus aufgeschlossen. Dabei kommt es aber darauf an, ob dahinter eine konstruktive oder eine destruktive Haltung steht, ob man verantwortungsbewusste Lösungen sucht oder jemanden einfach niedermachen will. Neuerdings meinen auch einige Christen oder kirchliche Kreise, sich genauso populistisch verhalten und unverschämt äußern zu müssen, wie es allgemein in unserer Gesellschaft immer mehr zunimmt. Da kann es dann passieren, dass einem alles um die Ohren gehauen wird, was zurzeit so in der Öffentlichkeit zu hören ist: „Klerikalismus, Machtmissbrauch, Inkompetenz, Vertuschung und Heuchelei“.

Jemand hat mir einmal gesagt: „Wenn Sie so etwas nicht verkraften, hätten Sie nicht Bischof werden dürfen!“ Da ich mich aber nicht als Funktionär verstehe, der nur seinen Job macht, geht mir manches schon an die Nieren und hinterlässt seine Spuren. Da ist es wohltuend und ermutigend, ab und zu auch ganz andere Töne zu hören.

Wo haben Sie persönlich von der Courage anderer profitiert?

Schon als Jugendlicher habe ich verhältnismäßig viel über Christen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus gelesen. Das hat mich beeindruckt, genauso wie die klare Positionierung zahlreicher katholischer wie evangelischer Christen zu DDR-Zeiten. Dass ich Priester geworden bin und mich als solcher schon über 40 Jahre bemühe, dem gerecht zu werden, verdanke ich auch dem Vorbild manch anderer. Schließlich profitiere ich von den pastoralen Weichenstellungen meines Vorgängers im Bischofsamt, vom neuen Schwung, den Papst Franziskus in unsere Kirche gebracht hat, von einigen besonders überzeugenden Bischöfen und Theologieprofessoren wie -professorinnen, von mehreren mir nahe stehenden und verlässlichen ökumenischen Partnern, natürlich vom entschiedenen persönlichen Einsatz meiner nächsten und weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie vieler Priester, Diakone und anderen haupt- wie ehrenamtlich Tätigen. Darüber hinaus ermutigen und beschämen mich zugleich auch Menschen aus ganz anderen Bereichen, die angesichts ihrer bedrückenden Lebensverhältnisse oder kaum zu bewältigenden Probleme nicht aufgeben, sondern tapfer ihren Mann oder ihre Frau stehen.

Ein besonderer Höhepunkt in diesem Jubiläumsjahr ist die Bistumswallfahrt auf der Huysburg. Sie erweitert das Jubiläumsmotto um den Satz „…ich gehe mit“. Das fordert einerseits jeden persönlich auf, sich anzuschließen und couragiert unterwegs zu sein. Und zugleich ist es die Zusage, dass Gott mit uns unterwegs ist und Courage zeigt. Wie ermutigt Sie diese Gewissheit in Ihrem Handeln als Gerhard Feige?

Ohne den Glauben an Gott und das Vertrauen darauf, dass die dramatischen Entwicklungen und ungewöhnlichen Zumutungen, die wir zurzeit in unserem Bistum und darüber hinaus erleben, nicht nur menschengemacht sind, sondern sogar etwas mit dem Wirken des Heiligen Geistes zu tun haben, der uns heilsam herausfordern will, könnte ich wahrscheinlich nicht mehr ruhig schlafen. So aber gelingt es mir noch einigermaßen. Dabei ist für mich hilfreich, darum zu wissen, dass ich mit vielen anderen Christen gemeinsam Kirche bin und Verantwortung trage, zugleich aber mich darauf verlassen zu können, dass Kirche nicht allein unser Werk ist, sondern von Gott her ihre Kraft bezieht und von ihm begleitet wird.

Ich vermute und kenne das von mir, dass Courage immer wieder von diffusen Ängsten gebremst und gehemmt wird. Dass Menschen sich nicht trauen, mit voller Energie und großem Einsatz für andere einzustehen. Haben Sie ein Patentrezept dagegen?

Ein Patentrezept wohl nicht, aber eine hilfreiche Anregung, meinen bischöflichen Wahlspruch, der mich schon seit 1999 begleitet: „Vigilate et orate“, auf Deutsch: „Wachet und betet“. Unter Wachsamkeit verstehe ich, möglichst viel der ganzen Wirklichkeit mit ihren Licht- und Schattenseiten wahrzunehmen, alles kritisch zu prüfen und nach dem Willen Gottes zu befragen. Dann aber gilt es auch, sich mit seinen Beobachtungen und Erkenntnissen, Ideen und Vorhaben im Gebet Gott anzuvertrauen. Darin besteht wohl die verheißungsvollste Form, innerlicher Leere zu entgehen sowie Trost, Kraft und Zuversicht zu finden, um sich überschreiten und wirksam einsetzen zu können.

Wo würden Sie persönlich gern mehr erreichen, mehr Kraft einsetzen und Größeres wagen?

Unter mehr als 80% nichtkirchlichen oder religionsfernen Zeitgenossen zu leben, ist für uns Christen nicht nur tragisch, sondern auch eine besondere Herausforderung. Es gibt zahlreiche Berührungspunkte und Lebensfelder, wo das Evangelium noch stärker ins Spiel gebracht werden könnte als bisher schon. Dazu kann ein Bischof anregen und einiges selbst versuchen. Insgesamt ist er aber darauf angewiesen, dass möglichst viele an diesem Strang mitziehen. Ein solches Umdenken fällt jedoch nicht leicht und braucht seine Zeit. Zudem sind unsere personellen und finanziellen Ressourcen relativ begrenzt. Insofern sehe ich meine Aufgabe darin, zuversichtlich und realistisch zugleich zu sein, Mut zu machen, aber nicht zu überfordern.

Vielen Dank für das offene Gespräch! Luzia Neubert in Zusammenarbeit mit Miriam Wehle FB Pastoral

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