Sexueller Missbrauch an Minderjährigen: Aufarbeitung und Prävention – Informationen zum aktuellen Stand
Bischof Dr. Stephan Ackermann auf der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
Statement von Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier), Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, im Pressegespräch „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen: Aufarbeitung und Prävention – Informationen zum aktuellen Stand“ zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 13. März 2019 in Lingen:
„Die Vollversammlung hat sich ausführlich mit dem Thema sexueller Missbrauch befasst. Heute möchte ich einen Überblick geben über die Aufgaben, die für mich anstehen, das heißt zum aktuellen Stand der Arbeiten, die sich mit den konkreten Fragen der Aufklärung und Aufarbeitung ergeben, wie sie bei der Herbstvollversammlung 2018 in Fulda beschlossen worden sind. Kardinal Reinhard Marx wird auf der Pressekonferenz am Donnerstag über die weiteren Themen informieren, die damit zusammenhängen, also die übergreifenden Themen.
In meiner Funktion als Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes der Deutschen Bischofskonferenz kann ich sagen, dass die zurückliegenden Monate sehr intensiv waren. Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie am
25. September 2018 in Fulda haben wir deutschen Bischöfe in unseren Beratungen einen Plan verabschiedet, wie das Thema weiter aufgearbeitet wird. In den zurückliegenden Monaten konnte ich notwendige Vorarbeiten machen und möchte in fünf Punkten über den aktuellen Stand der Arbeiten berichten.
Zunächst hebe ich das Teilprojekt „Unabhängige Aufarbeitung“ hervor: Ziel des Teilprojektes ist die Erarbeitung eines „Leitfadens“ für die unabhängige Aufarbeitung in den Diözesen. Dazu hat ein Gespräch mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Erarbeitung von Kriterien und Standards für die Aufarbeitung ist eine Kooperation zwischen der Arbeitsgruppe „Aufarbeitung Kirchen“ des UBSKM und der Bischofskonferenz geplant. Bis Ende Mai 2019 soll dazu ein Treffen stattfinden, bei dem das Arbeitsfeld ausgeleuchtet und erste Inhalte festgelegt werden sollen.
Zur Überprüfung und Weiterentwicklung des Verfahrens zu Leistungen in Anerkennung zugefügten Leids soll auf Anregung des UBSKM ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, das die Praktikabilität des Verfahrens und die Akzeptanz bei Betroffenen und Diözesen prüft. Darüber hinaus wird Ende April/Anfang Mai ein Workshop mit fachkundigen Personen aus Kirche und Gesellschaft veranstaltet, bei dem Erfahrungen und erste Bewertungen zusammengetragen werden sollen.
Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir das Verfahren zu Leistungen in Anerkennung des Leids im März 2011 etabliert haben. Es soll in Fällen, in denen z. B. wegen eingetretener Verjährung kein durchsetzbarer Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld besteht, auf möglichst unbürokratische Weise eine Anerkennung des erlittenen Leids in Form einer materiellen Leistung gewähren. Bisher sind rund 1.900 Anträge in der so genannten Zentralen Koordinierungsstelle (ZKS) eingegangen. Weil es in den vergangenen Wochen Debatten gab, möchte ich das noch einmal erläutern: Die betroffene Person stellt über die Diözese oder den Orden einen Antrag bei der ZKS. Diese spricht eine Empfehlung über die Höhe der Leistung aus. Die Auszahlung selbst erfolgt dann durch die entsprechende kirchliche Körperschaft, die für den Täter in Vorleistung tritt. Denn der Täter selbst soll, sofern er noch am Leben ist, die Leistung erbringen.
Im Blick auf die Einrichtung unabhängiger Anlaufstellen für Betroffene läuft eine Recherche zu nichtkirchlichen Beratungsangeboten, die möglicherweise als Kooperationspartner für eine niederschwellige, gegenüber der katholischen Kirche vertrauliche und gegebenenfalls auf Wunsch anonyme Beratung zur Verfügung stehen könnten. Die unabhängigen Anlaufstellen sollten ein gut auffindbares und außerkirchliches Angebot sein, das Betroffenen die Anzeigenerstattung erleichtert, damit diese möglichst frühzeitig erfolgt. Derzeit stehen wir dazu in Kontakt mit der Geschäftsstelle „Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF)“.
Wir haben auch noch einmal die Unabhängigkeit der aktuell benannten Ansprechpersonen für sexuellen Missbrauch in den Bistümern überprüft. Das Ergebnis zeigt, dass eine weitgehende Unabhängigkeit der Missbrauchsbeauftragten mittlerweile gegeben ist. Allerdings gibt es auf den Homepages der Bistümer noch Verbesserungsbedarf bei der Erkennbarkeit der Unabhängigkeit.
Zu der angestrebten Standardisierung in der Führung der Personalakten der Kleriker findet aktuell in allen Diözesen eine Erhebung der zu ordnenden Akteninhalte und der bisher bevorzugten Aktenführung statt. Mithilfe der Erhebung sollen praxisorientierte Standards für die Personalakten der Kleriker entwickelt werden. Zentral bleibt dabei das Ziel, Standards zu entwickeln, die sicherstellen, dass Missbrauchsbeschuldigungen künftig in allen Diözesen verbindlich, einheitlich und transparent dokumentiert werden und es für die Personalverantwortlichen zu keinen Informationslücken kommt.
Die Arbeiten zum Monitoring für die Bereiche der Intervention und der Prävention haben wir in den letzten Monaten noch zurückgestellt, nicht zuletzt deshalb, weil wir erst im November des letzten Jahres katholischerseits eine große Fachtagung zum Thema Monitoring zusammen mit Kirchenverantwortlichen, Ordensoberen, Missbrauchs- und Präventionsbeauftragten der Diözesen und Ordensgemeinschaften, mit dem UBSKM sowie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs veranstaltet haben.
Die Präventionsarbeit hatte für uns von Anfang an einen hohen Stellenwert. Zunächst 2010, dann 2013 aktualisiert und erweitert hat die Deutsche Bischofskonferenz neben den „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ eine „Rahmenordnung Prävention gegen sexualisierte Gewalt“ erlassen. Wir kommen mit dieser Rahmenordnung den diözesanen Ordnungen und Maßnahmen sowie den angepassten Schutzkonzepten für Pfarreien, Gemeinschaften und Einrichtungen unserer Verantwortung und Achtsamkeit nach, die wir Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen schulden.“
Zentrale Maßnahmen der Katholischen Kirche in Deutschland im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch seit Januar 2010 zum Download