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Das Wunder von Halle – die Wunde von Halle

Ökumenische Gedenkgottesdienst in Halle stellt die zwei Todesopfer und Verletzten des Terroranschlags in den Mittelpunkt

Die Anteilnahme nach dem Terroranschlag von Halle ist groß: Zu dem ökumenischen Gedenkgottesdienst war die Marktkirche bis auf den letzten Platz gefüllt, darunter auch Angehörige und Freunde der Getöteten und auch auf dem Marktplatz verfolgten 1500 Menschen die Andacht. "Die Tür hat gehalten - das ist das Wunder von Halle. Doch zwei Menschen mussten sterben - das ist die Wunde von Halle", sagte der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer in seiner Predigt.

Beim Gedenkgottesdienst in Halle standen die zwei Todesopfer und Verletzten des Terroranschlags ganz im Mittelpunkt. „Jana L. liebte Schlager und sammelte Autogramme ihrer Stars. Am  vergangenen Mittwoch fragte sie: 'Was machen Sie da?' und wurde kaltblütig erschossen. Ich zünde eine Kerze an für Jana, die 40 Jahre alt wurde. Mitten in der Dunkelheit ein Licht, mitten in der Fassungslosigkeit ein Zeichen der Hoffnung.“ Bischof Dr. Gerhard Feige nimmt in der übervollen Hallenser Marktkirche eine brennende Kerze und steckt sie auf den Leuchter.

Nach der Kerze für Jana L. folgt eine Kerze für Kevin S. Er liebte Fußball, war engagiertes Mitglied des Drittligisten Hallescher FC, machte eine Ausbildung zum Maler und wollte an jenem Mittwoch einfach nur seinen Mittagsimbiss im Döner um die Ecke genießen, als der Attentäter auch den 20-Jährigen kaltblütig erschoss. Frustriert, dass ihm zuvor das gewaltsame Eindringen in die mit 50 Gläubigen besetzte Synagoge nicht gelungen war. Auf seiner Flucht vor der Polizei verletzte er im 15 Kilometer entfernten Landsberg schließlich noch ein Ehepaar mit Schüssen schwer. Auch für sie brennen Kerzen in der Kirche.

Diese Menschen sind es, die am Montagabend im Mittelpunkt stehen. Nach dem Terrorakt hatte sich der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf die jüdische Gemeinde gerichtet, schließlich hatte ihr der Anschlag gegolten. Nach Einschätzung der Ermittler wollte der 27-jährige, inzwischen geständige Täter ein Blutbad unter den Gläubigen anrichten, die sich zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur (Versöhnungstag) versammelt hatten. Das Entsetzen darüber war so groß wie die Erleichterung, dass die Tür der Synagoge den Schüssen des Attentäters standhielt und kein Mitglied der jüdischen Gemeinde verletzt wurde.

Der Attentäter sei „völlig verblendet, völlig asozial auf Abwegen“ gewesen. „Es gibt nichts Feigeres und Unmännlicheres, als eine Waffe zu nehmen und auf betende Menschen zu schießen“, so der Landesbischof, Kramer. Er betonte: „Dass es ein Einzeltäter war, stimmt nicht, denn dahinter stehen nationale und internationale Netzwerke, die sich gegenseitig im Hass befeuern.“ Zugleich räumte er ein, dass auch die Kirchen über Jahrhunderte „die Türen aufgemacht haben für Judenhass“. Doch inzwischen hätten die Kirchen den Antisemitismus „vor die Tür gesetzt“ und stünden an der Seite der Juden. Ebenso müsse es in der gesamten Gesellschaft geschehen: „Das ist ein schwerer und langer Weg, und wir brauchen einander, um ihn zu gehen.“

Der Vorsteher der jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, dankte für die große Solidarität, die seiner Gemeinde zuteil geworden sei: „Wir haben nach den schrecklichen Ereignissen wirklich verstanden, wie viele Freunde wir in Halle und in ganz Deutschland haben.“ Zeitgleich zum Gottesdienst feierte die jüdische Gemeinde in ihrer Synagoge das Laubhüttenfest.

Bischof Feige, sagte im Anschluss: „Bis vor einiger Zeit war es mir nicht verständlich, wie es im Deutschen Reich zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, zum Zweiten Weltkrieg und zur Vernichtung der Juden kommen konnte. Inzwischen ahne ich, dass so etwas auch heute nicht absolut unmöglich erscheint.“ Viele Hemmungen seien gefallen, unverschämtes Verhalten greife um sich. Gerade in den  sozialen Medien würden „zunehmend irrationale Empörungs- und Hasslawinen“ ausgelöst, durch Verschwörungstheorien, Rassismus und Antisemitismus, so Feige. Wachsamkeit und konsequentes Handeln seien vonnöten. „Als Christen fühlen wir uns dabei besonders herausgefordert mit allen Menschen guten Willens für Solidarität, Weltoffenheit und ein friedliches Miteinander einzutreten.“

Neben Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht nahm auch Halles Oberbürgermeister, Bernd Wiegand sowie Vertreter aller Ratsfraktionen an dem Gedenken teil und zahlreiche örtliche Vereine hatten Abordnungen geschickt.

(KNA, dpa, Foto: Sperling)

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