Chancen wahrnehmen mit Mut zur Gelassenheit
Pontifikalamt zum Jahresstart in St. Sebastian, Magdeburg
Bischof Dr. Gerhard Feige begrüßte das Neue Jahr mit einem feierlichen Pontifikalamt in der Kathedrale St. Sebastian, musikalisch gestaltet von Kathedralmusiker Matthias Mück und der Trompeterin Marie-Therese Finkler. Nur wenige Stunden vorher hatten sich beide gemeinsam mit den Trompetern Lukas Bach und Günter Schaumberger beim traditionellen Silversterkonzert in die Herzen der Zuhörer gespielt.
In seiner Predigt zum Start des Neuen Jahres warf der Bischof einen Blick auf die Zeit, als Synonym für Vergänglichkeit. „Schon wieder ist ein Jahr vergangen! Was hat sich in diesem Jahr doch alles ereignet, in unserer Welt, aber auch in unserem ganz persönlichen Leben. Vielleicht haben Sie im vergangenen Jahr eine wichtige Entscheidung getroffen. Oder ein Lebensabschnitt ist zu Ende gegangen: ein Kind ist in die Schule gekommen oder jemand ist ins Rentenalter eingetreten. In der Familie wurde ein Kind geboren – oder ein lieber Mensch ist gestorben. Es gab Momente tiefen Glücks – aber auch Zeiten, die schwer waren. Was auch immer geschehen ist: es kehrt nicht wieder.”
Die Vergänglichkeit des Moments und die Unwiederholbarkeit eines Tages sollte uns daran erinnern, die Kostbarkeit der Zeit schätzen zu lernen. „Jeder Tag ist einmalig, ganz gleich, wie sein Datum lautet oder was passiert. In 24 Stunden dreht sich die Erde einmal um die Sonne, schlägt unser Herz mehr als 100.000-mal. Eigentlich erstreckt sich die Gegenwart ja nur einen Atemzug lang. Schon der Moment zuvor ist Vergangenheit, schon der nächste Beginn unserer Zukunft.“
Klug wäre es, bewußter zu leben, so der Bischof weiter. „Dazu gehört es, ganz da zu sein in allem, was geschieht: anderen Menschen begegnen, Freud und Leid mit ihnen teilen, aufmerksam hinhören, Chancen wahrnehmen.“
Mit dem Kommen Jesu aber habe die Zeit auch eine neue Qualität bekommen. „Diese Nähe Gottes ist überall verborgen, schon da und es gilt, sie zu entdecken. In der Sprache des Neuen Testaments ist vom „Kairos“ die Rede. Der „Kairos“ ist im Gegensatz zum „Chronos“ – dem Ablauf der Zeit – die Zeit, in der sich das Heil ereignet. Wer es finden will, muss wach und aufmerksam auf die Zeichen der Zeit achten: im persönlichen Leben und in dem, was in unserer Welt geschieht.“
Dennoch sollte bei allem auch der Mut zur Gelassenheit und zum Ausruhen da sein. „Wir müssen nicht rund um die Uhr für alles zuständig sein, brauchen uns auch nicht von Aufgaben und Terminen versklaven lassen. Es darf auch Zeiten der Muße geben.“ Die Zeit sei, wie die Mystik sagt, „edeler als tausend Ewigkeiten“, weil in ihr ein für alle Mal das Heil gewirkt werde. Andererseits schenkt und Gott aber auch, alle Zeit der Welt“. „Sie ist in Fülle vorhanden, so dass wir vom Zeitdruck befreit sind. In unsere menschliche Zeit bricht immer wieder die Ewigkeit herein, die das Leben festlich werden lässt.“
So können wir auch den ersten Schritt ins neue Jahr mit Zuversicht wagen. Was hinter uns liegt, dürfen wir in seine Hand geben. Was vor uns liegt – die neuen dreihundertfünfundsechzig Tage – nehmen wir aus seiner Hand entgegen. „Aus diesem Einklang mit dem Herrn der Zeit kommt eine Freude, die nicht mehr auf Verdrängung beruht“ (H. Thielicke); eine Freude, die die Vorahnung des „ewigen Festes“ ist, zu dem wir eingeladen sind. Lassen wir uns dazu ermutigen, die kommenden Stunden und Tage als ein kostbares Gut zu sehen, das uns geschenkt ist. Leben wir unsere Stunden und Tage unter dem Segen Gottes, der uns jedes Jahr an Neujahr zugesprochen wird.“