Komplexitätsverweigerung verhindern
EKD-Friedensbeauftrager appellierte auf dem Ökumenischen Empfang der Kirchen für Vielfalt
Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, warnt vor Polarisierungen und Spaltungen in der Gesellschaft. "In Europa droht eine Spaltung zwischen denen, die sich abschotten und nationale bis nationalistische Gedanken in den Vordergrund rücken und denen, die an der Idee eines solidarischen Europas festhalten", erklärte Brahms am Dienstag in Magdeburg auf dem traditionellen Ökumenischen Empfang der Kirchen in seinem Vortrag zum Thema „Suche den Frieden und jage ihm nach“.
Zu dem Empfang eingeladen hatten die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, das Bistum Magdeburg und die Evangelische Landeskirche Anhalts, außerdem das Erzbistum Berlin und die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, zu denen kleinere Gebiete in Sachsen-Anhalt gehören. In den Remter des Magdeburger Domes waren Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geladen, darunter auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht.
Bischof Dr. Gerhard Feige warb dafür, „einen Frieden anzustreben, der mehr ist als nur ein Waffenstillstand, ein fauler Kompromiss, eine stimmungsvolle Idylle, eine satte Zufriedenheit oder eine entspannte Totenruhe“. Er hob hervor, wie viele Gewalttaten vor allem im vergangenen Jahrhundert „im Namen der menschlichen Vernunft oder unter dem Antrieb unmenschlichen Wahnsinns“ verübt worden seien. Auch das Christentum habe „Anlass zu Streitigkeiten oder sogar Kämpfen gegeben“, räumte der Bischof des Bistums Magdeburg ein.
Sachsen-Anhalts Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch hob die Bedeutung christlicher Werte trotz rückläufiger Mitgliederzahlen der Kirchen hervor. „Die kulturelle Verankerung christlicher Werte ist in der Bevölkerung deutlich stabiler und ausgeprägter, als es in der Bindung zur Institution zum Ausdruck kommt“, so Brakebusch. „Was eine Gesellschaft friedlich zusammenhält, ist die Kultur“, so Brakebusch. Dabei meinte sie nicht Kunst und Kultur, sondern die Summe aller Erfahrungen, die eine Gesellschaft mit sich selbst gemacht hat, der gemeinsamen Geschichte und gemeinsamer Überzeugungen.“ Gehe die kulturelle Verbindung verloren, ginge auch der innere Zusammenhalt verloren, der nicht durch Wirtschaft, Geld oder Politik zu kitten sei. Die Kirchen hingegen „verfügen über ein hohes Maß an Beweggründen, Möglichkeiten und Verantwortung.“
In seinem Vortrag führte Brahms weiter aus, es gehe um die Stärkung des Gemeinsamen und des Gemeinwohls: "Die Einsicht, dass die Herausforderungen nur gemeinsam zu bewältigen sind und nicht gegeneinander, ist die Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Frieden."
Um populistischen und spalterischen Entwicklungen entgegen zu wirken, "bedarf es der sachlichen, fachlichen Auseinandersetzung, der Entlarvung der verdrehten Argumente, des Faktenchecks" sowie der "Leidenschaft für die Vielfalt, für eine plurale Gesellschaft und für die Demokratie", betonte der Theologe.
Viele Menschen seien unsicher geworden, fühlten sich ohnmächtig, so Brahms. Dies führte zu einer Komplexitätsverweigerung und zu Vereinfachungen, die nur noch schwarz-weiß kennen, und zu "Abschottungen gegenüber Fremden ist auch eine Wurzel des Rückzuges auf das je nur Eigene - bis hin zum offenen Hass und Gewalt". Der EKD-Friedensbeauftragte appellierte: "Wenn wir Zukunft in Frieden gestalten wollen, dürfen wir nicht den Vereinfachern das Feld überlassen und zeigen, dass wir Zukunft gestalten können."
(epd/kna/sus | Foto. Sperling)