Freiheit kann anstrengend sein
Festliche Salztafel der Halloren im Salinemuseum Halle
Die Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle hatte zur festlichen Salztafel in das Technische Halloren- und Salinemuseum geladen. An den festlich gedeckten Tischen konnten die Halloren wieder für eine Reihe Prominenter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur begrüßen. Die Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle wurde 1491 gegründet und bestand zur damaligen Zeit aus Bornknechten, Wirkern, Lädern und Salzträgern. Seit 2014 gehören sie zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Aufgrund des Besuches des amerikanischen Außenministers Mike Pompeo und Bundesaußenministers Heiko Maas in Halle, stieß Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand erst mit Verspätung zu den Halloren. Als gebürtiger Hallenser war Bischof Dr. Gerhard Feige als Festredner geladen. Wenige Tage vor dem Jahrestag des 9. Novembers sprach er zum Thema: “Zur Freiheit befreit? – 30 Jahre Mauerfall“.
Nach sehr persönlichen Eindrücken über die Wendezeit und der noch heute fühlbaren Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sagte Bischof Feige: „Schon bald erschien besonders Ostdeutschen die errungene Freiheit „grauer als der Traum von ihr“. Vielleicht hatten manche so etwas wie ein Schlaraffenland oder ein Paradies erwartet, vielleicht aber auch nur ein möglichst sorgenfreies Leben mit einem geregelten Einkommen und einer abgesicherten Zukunft. Stattdessen war fast alles komplizierter geworden. Das Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft – so erfuhr man – birgt viele Risiken in sich, ist anstrengend und erfordert immer wieder Mut und Elan. Da wird kaum jemandem etwas in den Schoß gelegt. Freiheit ist durchaus nicht grenzenlos. Auch in einer pluralistischen Gesellschaft gibt es Regeln und Anordnungen, Gebote und Verbote: „vom TÜV bis zur Steuererklärung und zu den Bestimmungen der Müllsortierung“ (Karl Lehmann). Man kann nicht alles machen, was man will. Vor allem da, wo der Freiheitsraum der anderen beginnt, ist Respekt vonnöten. Freiheit kann sogar sehr anstrengend und belastend sein. Unweigerlich gehört nämlich auch dazu, sich andauernd entscheiden zu müssen und selber aktiv zu werden. Viele sind überfordert und weichen Entscheidungen aus. Manche klammern sich aus Angst vor der Freiheit krampfhaft an vergangene Verhältnisse oder suchen Halt in fundamentalistischen Bewegungen, politisch wie kirchlich. Freiheit muss gestaltet werden. Und da steht – was unsere jüngste Geschichte betrifft – gewissermaßen – wie Christian Führer es einmal formuliert hat – „der zweite Teil der Revolution“ noch aus. Neue Verhältnisse allein machen noch keinen neuen Menschen; denn niemand von uns ist nur – wie Marxisten behaupten – „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“.“
„Manche Krisen der letzten Zeit zeigen, wohin es führt, wenn Freiheit missbraucht wird, um nur noch den eigenen Vorteil zu verfolgen. Dann wird eine Gesellschaft selbstsüchtig und gnadenlos. Deshalb gilt es, sich verstärkt auf Werte zu besinnen, die lebensnotwendig zur Freiheit dazu gehören: die unbedingte Achtung vor der Würde jedes Menschen, Wahrheit und Gerechtigkeit, Verantwortung und Solidarität, ja auch Barmherzigkeit und Liebe. Wenn eine Gesellschaft solche Haltungen vernachlässigt, kann die Freiheit, die sie gewonnen hat, sich auch gegen sie richten.“
“Auch das gehört zur Freiheit: nicht die Hände in den Schoß zu legen und alles von anderen zu erwarten, von einem Obrigkeits- und Versorgungsstaat oder auch von der sogenannten Amtskirche, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir sind nicht nur von etwas befreit worden, sondern auch für etwas.“
Die Festrede des Bischofs zum Download
(sus/Sperling)