Fassungslos
Aufruf zum gemeinsamen Gedenkgottesdienst - Nach dem Terroranschlag in Halle
Auch Tage nach dem Anschlag von Halle kommen Menschen zur Synagoge und zeigen damit ihre Solidarität. Doch viele empfinden neben Trauer auch Wut über die Tat und den zunehmenden Antisemitismus und Rassismus im Land. "Es war furchtbar. Ehrlich gesagt wussten wir nicht, ob wir lebend aus der Synagoge rauskommen." Noch sichtlich bewegt erzählt der Vorsteher der jüdischen Gemeinde zu Halle, MaxPrivorozki, am Donnerstag von dem Anschlag auf das jüdische Gotteshaus vom Vortag. Mit 60 Gläubigen hatte er dort den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begangen, als ein schwer bewaffneter Mann vergeblich versuchte, in die Synagoge einzudringen. Anschließend erschoss er zwei Menschen.
Um Stellung zu beziehen findet am Montag, 14. Oktober, um 17 Uhr ein Gedenkgottesdienst in der Marktkirche in Halle statt. Er wird gemeinsam mit dem Friedensgebet und dem Semestereröffnungsgottesdienst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gehalten. Dazu laden ein: Bettine Keyßer (Friedensgebetskreis Marktkirchengemeinde) Landesbischof Friedrich Kramer (Evangelische Kirche in Mitteldeutschland) Bischof Dr. Gerhard Feige (Bistum Magdeburg) Kirchenpräsident Joachim Liebig (Evangelische Landeskirche Anhalts) Universitätsprediger Prof. Dr. Jörg Ulrich (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) Propst Reinhard Hentschel und Superintendent Hans-Jürgen Kant (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Halle). An dem Gedenkgottesdienst werden u.a. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und Ministerinnen und Minister der Landesregierung sowie Mitglieder der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg teilnehmen.
"Einen Angriff auf die jüdische Gemeinde sehen wir zugleich auch als einen Angriff auf unsere Kirchen. Sind wir doch angesichts der gemeinsamen Väter Abraham, Isaak und Jakob im Glauben an den einen Gott geschwisterlich vereint. Wir sehen es als unsere Pflicht, jeder Form von geistiger Brandstiftung im politischen, gesellschaftlichen und individuellen Umgang vehement zu begegnen. Es darf nicht nur in Deutschland – aber gerade auch in Deutschland – nie wieder vorkommen, dass wir uns wegducken, dass wir wegschauen und weggehen, wenn Extremisten, gleich an welchem Rand, menschenverachtende Angriffe auf Synagogen sowie unsere Religions- und Glaubensfreiheit, genauso wie auf andere wesentliche Menschen- und Grundrechte verüben“, so Landesbischof Friedrich Kramer (Evangelische Kirche in Mitteldeutschland), Bischof Dr. Gerhard Feige (Bistum Magdeburg) und Kirchenpräsident Joachim Liebig (Evangelische Landeskirche Anhalts) in einer gemeinsamen Solidaritätsbekundung.
Bereits kurz nach dem grausamen Verbrechen in Halle hatte sich Bischof Feige zu Wort gemeldet: „Mit tiefer Sorge habe ich von den Schüssen in meiner Heimatstadt Halle (Saale) gehört. Meine Gedanken und Gebete sind bei der Familie und den Freunden der beiden ermordeten Menschen. Wir Katholiken des Bistums Magdeburg sind bestürzt über den Angriff auf unsere jüdischen Nachbarn und unbeteiligte Passanten. Wir trauern mit ihnen. Es ist eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und den Versöhnungstag Jom Kippur feiern können. Ich hoffe, dass diese abscheuliche Tat konsequent aufgeklärt wird. Ich rufe Sie alle auf, einen Moment inne zu halten und für ein friedliches Miteinander in unserer Gesellschaft zu beten.“