Pandemie geht an die religiöse Substanz
Magdeburger Ökumenisches Neujahrsgespräch in diesem Jahr im Online-Format zum Thema: Zeitenwende Corona-Krise
Zum Beginn des neuen Kirchenjahres gab es das traditionelle Magdeburger Ökumenische Neujahrsgespräch mit Landesbischof Friedrich Kramer und Bischof Dr. Gerhard Feige in einem ungewöhnlichen Format. Vor laufenden Kameras diskutierten die leitenden Geistlichen des Bistums Magdeburg und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland unter dem Motto „Zeitenwende Corona-Krise: „Gott und die Welt mit und nach der Pandemie?“ mit der Erfurter Theologin Julia Knop, dem Landtagsabgeordneten Tobias Krull und dem Journalisten Philipp Greifenstein.
Die katholische Theologin Julia Knop sprach mit Blick auf die Corona-Pandemie von einer "seelischen Irritation durch das abrupt angehaltene Hamsterrad". Weiter führte die in Erfurt lehrende Dogmatik-Professorin aus: "Wir werden einiges lernen und andere geworden sein nach der Pandemie, vielleicht Beziehungen bewusster gestalten, Kontakte liebevoller pflegen, Termine reduzieren, ein anderes Zeit- und Körpergefühl entwickeln."
Zugleich räumte sie ein: "Vielleicht wird es aber am Ende auch zu fordernd gewesen sein." Mit Gott lebe und denke es sich nicht unbedingt einfacher." Und Theologen sollten angehalten sein, vorschnelle Deutungen der Pandemie abzuweisen - um Gottes und der Menschen willen." Corona sei kein "Missionsvehikel", betonte Knop. Not lehre nicht unbedingt beten, und manchem vergehe auch in der Not das Beten, aber es sei "eine Weise, um mit einer aus den Fugen geratenen Welt umzugehen".
Die Kirchen müssen in Krisenzeiten aus Sicht des evangelischen Landesbischofs Friedrich Kramer dem Leiden der Menschen eine Stimme verleihen. Das gelte aus christlichem Selbstverständnis gerade deshalb, weil die moderne Gesellschaft "Leiden um jeden Preis vermeiden" wolle. „Dies gelte gerade in der aktuellen Pandemie“, fügte Bischof Dr. Gerhard Feige hinzu. Gerade bei Themen wie der nötigen Solidarität in der Gesellschaft oder der Einschränkung von individuellen Freiheitsrechten zugunsten des Gemeinwohls dürften die Kirchen nicht schweigen.
Bischof Feige bekommt nach eigenen Worten auch immer mehr Post von "Querdenkern". Es könne sein, dass es - aus der Geschichte der DDR heraus, wo die Kirche in Opposition zum Staat gestanden habe - bei einigen nun die Erwartung gebe, dass sich die Kirche jetzt auch dem Protest gegen die staatlichen Maßnahmen, Corona-Verordnungen und Impfungen anschließen sollte, sagte Feige. Diese Menschen hätten nicht verstanden, dass die Situation in der gegenwärtigen Demokratie in keiner Weise mit dem DDR-Staat vergleichbar sei.
Die Pandemie gehe auch an die religiöse Substanz, sagte die Erfurter Theologin Julia Knop. Ein Glauben "ohne religiösen Zauber" stelle eine riesige spirituelle Herausforderung dar, sagte sie mit Blick auf Einschränkungen des kirchlichen Lebens. Es drohe eine "Ent-institutionalisierung des Religiösen": Wer zu Ostern auf den Kirchgang verzichten musste, sieht ihn inzwischen vielleicht als verzichtbar an, sagte die Dogmatik-Professorin. Corona lege offen, was Gewohnheit und was ein echtes Bedürfnis sei.
Veranstalter der Ökumenischen Neujahrsgespräche sind die Katholische Akademie des Bistums Magdeburg und die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt. Der Saxophonist Uwe Steinmetz sorgt für die musikalische Begleitung.
Der Livestream zu nachschauen
(kna/evangelisch.de: Foto: Sperling)