Faszination Weihnachten
Bischof Dr. Gerhard Feige mit einem Weihnachtsimpuls via Youtube
In diesen Weihnachtsfeiertagen wendet sich Bischof Dr. Gerhard Feige mit einer Videobotschaft an die Gläubigen im Bistum Magdeburg und darüber hinaus:
"Was fasziniert eigentlich so an Weihnachten? Warum wird dieses Fest immer noch weltweit von unzähligen Christen und Nichtchristen gefeiert?
Sicher verbindet sich damit eine große Sehnsucht nach Liebe, Heimat und Geborgenheit, die unausrottbar jedem Menschen eigen ist. Kindheitserinnerungen werden wach; familiäre Beziehungen, Gemeinschaft und Solidarität sind begehrt; Sinne und Gefühle suchen nach Erfüllung. Weihnachten erscheint fast wie ein „zwischenmenschliches Stimmungsbarometer“ oder ein „Seismograf für gesellschaftliche Befindlichkeit“.
In diesem Jahr aber ist vieles anders als bisher. Große und innige Feiern sind aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich. Gesellschaftlich wie persönlich sind uns wohlbegründet harte Beschränkungen auferlegt. Kann oder sollte man da überhaupt noch feiern? Unbedingt! Weihnachten hat es nämlich in sich und gibt mehr zu denken, als manche meinen.
Zunächst ist es der Realismus dieses Festes, der uns gerade jetzt vielleicht deutlicher als sonst etwas zu sagen hat. Man muss nicht in Traumwelten flüchten. Wie die biblischen Texte zum Ausdruck bringen, war die Geburt Jesu von Nazareth vor etwa 2000 Jahren ja alles andere als idyllisch. Sie ereignete sich unterwegs; Maria und Josef finden keine Herberge; schließlich musste man sogar fliehen, weil Soldaten den Neugeborenen zu töten suchten. Und heute? Wie viele Schwierigkeiten belasten doch unsere Gesellschaft schon sowieso: finanzielle Kürzungen und soziale Einschnitte, abnehmende Solidarität und mangelnde Verständigungsbereitschaft, Erziehungs- und Bildungsprobleme. Das Miteinander scheint rauer und auch geistloser geworden zu sein. Und nun hält uns das Corona-Virus noch in seinem Bann und hinterlässt schon jetzt dramatische Folgen. Wie soll man da unbelastet Weihnachten feiern? Ginge das nicht nur, wenn einige Tage oder wenigstens Stunden vieles ignoriert, verdrängt oder bagatellisiert wird?
„Nein“, sagt der christliche Glaube. Gerade dieser konkreten Welt gilt die Weihnachtsbotschaft: Gottes Sohn wird Mensch, das Licht kommt in die Finsternis, mitten in der Kälte blüht eine Rose auf. Uns wird etwas geschenkt, was wir selbst nicht produzieren können oder verdient haben: die Zusage von Erlösung, Vollendung und ewigem Leben. Daraus kann – und das ist das zweite, das ich mit Weihnachten verbinde – eine große Hoffnung wachsen. Wir haben Zukunft, auch wenn uns manchmal vieles niederdrückt. Aus dieser tiefen Hoffnung heraus konnten und können Christen sogar in notvollen Situationen Weihnachten feiern: auch in Krankenhäusern und Gefängnissen, im Krieg und auf der Flucht, fern der Heimat oder angesichts des Todes lieber Mitmenschen. Wer sich von einem Sinn getragen weiß und ein Ziel sieht, vermag manches Unverständliche zu verkraften und den Mut nicht zu verlieren.
Weihnachten – und das ist schließlich das dritte, was ich für bedenkenswert halte – bewegt und drängt dazu, möglichst vielen die Liebe Gottes, die in Jesu Leben erfahrbar geworden ist, zu erschließen und durch eigenes Handeln zu bezeugen. Wie Gott sich mit der Welt in ihrem unheilvollen Zustand nicht abgefunden, sondern sich in ihre Verhältnisse eingemischt hat, stände es uns gut an, sich ähnlich zu engagieren: für mehr Solidarität mit denen, die überfordert sind, an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen werden, auch für die Verteidigung der Würde des Menschen von der Zeugung bis zum Tod, für eine familien- und kinderfreundlichere Gesellschaft oder noch grundsätzlicher für mehr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Zivilcourage und Einsatzbereitschaft sind gefragt, damit es um uns herum und auch anderswo in der Welt erträglicher und lichtvoller wird.
Weihnachten ist ein Hoffnungszeichen, bietet Trost und Freude, fordert aber auch heraus und weist Wege zu Gott und den Menschen. Möge es viele trotz aller Einschränkungen und Bedrängnisse dieser Tage auch weiterhin faszinieren, unsere Lebensperspektiven hoffnungsvoller erscheinen lassen und zu tatkräftiger Menschenfreundlichkeit anregen.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen eine gesegnete Weihnachtszeit. Lassen Sie sich von den äußeren Umständen nicht den Blick auf die eigentliche Botschaft" verdunkeln.
Die Botschaft können Sie hier anschauen. An der Orgel spielt Kathedralmusiker Matthias Mück.
(Foto: Screenshot)