Viel Kreativität und Selbstlosigkeit
Zum Abschied von Dr. Annette Schleinzer, Theologische Referentin des Bischofs
16 Jahre lang hat Dr. Annette Schleinzer als Theologische Referentin an der Seite von Bischof Dr. Gerhard Feige gearbeitet und viele Texte und Predigten mit entworfen. „Dazu gehört viel Kreativität und eine große Selbstlosigkeit, denn sie agierte immer im Hintergrund“, würdigte der Bischof seine Referentin bei ihrer Verabschiedung in den Ruhestand. „Für die gemeinsame Arbeit möchte ich von Herzen Danke sagen!“
Als Feige 2005 Bischof von Magdeburg wurde, machte er sich auf die Suche nach Mitarbeitern. Neben Generalvikar, Seelsorgeamtsleiter und Personalchef brauchte er nicht nur eine persönliche sondern auch eine theologische Referentin. Die gebürtige Waldshuterin war 1995 aus dem Erzbistum Freiburg an die Huysburg gekommen. Seit 1999 arbeitete die promovierte Theologin im Bistum Magdeburg mit, insbesondere von 2000 bis 2004 beim Pastoralen Zukunftsgespräch. „Als ich sie 2005 zufällig mal wieder auf der Straße getroffen hatte, habe ich sie gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, als meine theologische Referentin zu arbeiten“, erinnerte sich der Bischof. „Nach einiger Bedenkzeit hat sie dann ja gesagt.“ Damit begann für beide ein Abenteuer in vertrauensvoller Zusammenarbeit.
Beim Abschiedsgottesdienst sprach sie selbst das geistliche Wort, von den Werten, Personen und Ereignissen, die sie in ihrer Arbeit und in ihrem Glauben geprägt haben. „Die Welt braucht keine Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeit durch Religion; sie braucht und sucht (wenn überhaupt) das Gegengewicht, die Sprengkraft gelebter Hoffnung. Und was wir ihr schulden, ist dies: Das Defizit an anschaulich gelebter Hoffnung auszugleichen." Dieser Text wurde vor genau 50 Jahren in einem Dokument der Würzburger Synode geschrieben, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den alten Bundesländern stattgefunden hatte.
„Ich finde diesen Text höchst aktuell für unsere Zeit“, so Schleinzer, „in der es so viele Sorgen und so viel Hoffnungslosigkeit gibt. Ganz obenauf liegt in unserer Gesellschaft die Corona-Pandemie. Und in unserer Kirche sind es darüber hinaus die Skandale, die ans Licht gekommen sind. Aber nicht nur deshalb scheint die Kirche tatsächlich an einem „toten Punkt" zu sein, wie es Kardinal Marx neulich in einem Zitat gesagt hat.“
Auf der Suche nach der „Sprengkraft gelebter Hoffnung" ist sie auf die „Mystikerin der Straße“, Madeleine Delbrel gestoßen, die 1904 in Südfrankreich geboren wurde und 1964 verstarb. „Sie war Sozialarbeiterin, Schriftstellerin, Künstlerin, die In ihrer Jugend eine überzeugte Atheistin war. Als junge Philosophiestudentin erschien ihr das Leben täglich absurder, und mit 20 Jahren ist sie durch die Trennung von ihrem Freund in eine tiefe Lebenskrise geraten.“ Durch die Begegnung mit jungen Christinnen und Christen sei sie dazu gebracht worden, sich Gott zuzuwenden -probehalber - mit ihrer ganzen Sehnsucht, mit ihrem Schmerz und ihren Fragen.
Seitdem Gott sie gefunden habe, gab es im Leben von Madeleine Delbrel ein „Vorher" und ein „Nachher". „Vorher: da war Sinnlosigkeit. Da waren Einsamkeit und Trennung. Da war Hoffnungslosigkeit. Doch sie spürte, dass Gott sie daraus heraushergerissen hat. Ein „Nachher" tat sich auf, das Kraftfeld einer Liebe, die ihr ungeahnte neue Horizonte eröffnet hat. Seitdem weiß sie, wie die Hoffnung auch in einer noch so schwierigen Lage „eine neue Schubkraft' bekommen kann“, so Schleinzer.
Als Meisterin der Alltagspiritualität habe Delbrel viel von den Menschen, denen sie begegnete gelernt und ihren Auftrag erkannt. „Sie möchte „der heute lebende Jesus Christus sein". Was würde er heute tun, wenn er durch unsere Straßen läuft und den Menschen begegnet? Wie würde er zu ihnen sprechen?, so fragt sie sich. Er würde wohl, so schreibt sie, ,,auf die Herzen der Menschen und auf ihr Hoffen lauschen". Er würde versuchen, darauf zu reagieren, in einer Sprache, die sie verstehen, und durch einfache Gesten der Zuwendung. Er würde auch Klartext reden, wo die Würde der Menschen mit Füßen getreten wird und wo Gewohnheiten und Strukturen - gerade auch innerhalb der Kirche - das Leben behindern und wo das Evangelium verraten wird. "Und er würde immer wieder Frauen und Männer rufen, mit ihm zusammen dasselbe zu tun.“
Das Haus von Delbrel sei zu einem Ort geworden, an dem alle möglichen Menschen immer wieder zusammenkamen, miteinander lachten und feierten oder getröstet und ermutigt wurden. „Ich habe in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts viele von diesen Menschen getroffen“, so Schleinzer. „Sie haben mir erzählt, dass Madeleine Delbrel eine Frau war, die mit beiden Beinen im Leben stand, die leidenschaftlich gerne getanzt hat, eine Vorliebe für verrückte Hüte hatte, die genussvoll Gauloises rauchte und gern Rotwein getrunken hat. In alldem aber ist wohl in der Begegnung mit ihr immer wieder ein Funke übergesprungen.“
„Seien Sie eine kleine Zelle der Liebe, da wo Sie sind, schreibt sie einer Frau, die mutlos geworden war. Seien Sie eine kleine Zelle der Liebe, da wo Sie sind, und Sie werden für die Sache Gottes mehr bewirken als eine ganze Armee. Das ist dann eine unglaubliche Quelle geistgewirkter Kraft, die alles, was geschieht in unvorstellbarer Weise umkrempeln kann“, so die scheidende theologische Referentin. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Kraft erfahren und daraus Leben können. Und ich wünsche dem Bistum Magdeburg auf dem Weg in die Zukunft viele solche kleine Zellen der Liebe, die die Sprengkraft gelebter Hoffnung haben.“
Neben der Verabschiedung von Dr. Annette Schleinzer wurde in der Gemeinschaftsmesse aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bischöflichen Ordinariates und der Einrichtungen auch die Don Bosco Schwester Lydia Kaps mit einem Blumenstrauß zum 60. Geburtstag geehrt und dem Leiter des katholischen Büros, Stephan Rether zum 30. Jubiläum im Dienst des Bistums gratuliert.
(sus; Foto: Sperling)
Geistliches Wort von Dr. Annette Schleinzer zum Nachlesen