Verschwundene Kirche Kaiser Ottos entdeckt
Bischof besucht Ausgrabungsort der Radegundis Kirche und der Königspfalz in Helfta
Versteckt hinter Maisfeldern auf der Anhöhe „Kleine Klaus“ am Ortsrand von Helfta herrscht emsiges Treiben. Mit Werkzeugen und Pinseln arbeiten Archäologen daran, die Überreste einer großen Kirche, die nach der Schriftüberlieferung und dem archäologischen Befund mit der Radegundiskirche identifiziert werden kann, freizulegen. Ihre Gründung geht auf Kaiser Ottos des Großen aus der Zeit vor 968 zurück.
Heute erinnert im Ackerland nichts mehr daran, dass mächtige Wallbefestigungen, zahlreiche Grubenhäuser und steinerne Repräsentationsarchitektur hier einst ein wirtschaftliches und politisches Zentrum bildeten, in dem Reichsgeschichte geschrieben wurde. „Aber das soll sich ändern“, meint Prof. Dr. Felix Biermann, der das Ausgrabungsprojekt leitet.
Mit viel Leidenschaft und Engagement zeigt er Bischof Dr. Gerhard Feige die bislang freigelegten Schätze. Auf etwa 30 m Länge hat sein Team eine dreischiffige und kreuzförmige Basilika mit Querschiff freigelegt, die vom 10. Jahrhundert an über ein halbes Jahrtausend hin das Tal dominierte. Die Mauern wurden nach der Reformation komplett abgetragen, doch lassen die Ausbruchgruben und Fundamentreste sowie nicht zuletzt auch Relikte der Ausstattung die Pracht des untergegangenen Bauwerks noch erahnen. Unter den Relikten des Kircheninventars, das gleich am ersten Ausgrabungstag gefunden wurde, ist auch ein romanisches Bronzekruzifix mit Email, das im 13. Jahrhundert in Limoges in Neu-Aquitanien (Frankreich) erzeugt wurde.
Zahlreiche Gräber verteilen sich innerhalb der Kirche und in ihrem Umkreis, darunter Kopfnischengräber und gemauerte Grüfte. Ein wirklich außergewöhnliches Grab eines Kindes ist auch dabei. „Das Kind war etwa vier bis fünf Jahre alt, ob Junge oder Mädchen können wir noch nicht genau sagen, das muss noch analysiert werden“, sagte der Archäologe Biermann. „Der Sarkophag besteht aus sorgfältig bearbeitetem, weißen Muschelkalk. Und der Umriss des Körpers des Kindes ist genau ausgearbeitet.“ Dieser außergewöhnliche Fund eines Kindergrabes deute daraufhin, dass das Kind oder seine Eltern von hohem Rang gewesen seien und wahrscheinlich aus einem der Geschlechter der Ottonen-Zeit stammten, die sich damals hier die Macht geteilt hätten, sagte Biermann.
Reiche Funde – Münzen, kunstvoll mit Email verzierte Gewandspangen, Trachtstücke, Pilgerzeichen, Tonscherben und vieles andere mehr belegen nicht nur die Ottonenzeit, sondern auch die karolingische Helphidesburg sowie die Endphase der Siedlung und der Radegundiskirche am Ausgang des Mittelalters.
Dass die Kirche nach der Heiligen Radigundis benannt wurde, war schon außergewöhnlich. Die aus Thüringen stammende Prinzessin war die Gründerin des ersten Frauenklosters in Europa, der Abtei Ste-Croix in Frankreich. Bischof Feige hofft, dass mit den Forschungsergebnissen der Ausgrabungen auch der ein oder andere Zusammenhang mit dem wieder bestehenden Zisterzienserinnenkloster St. Marien zu Helfta hergestellt werden kann.
Das Projekt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wird aus Forschungsmitteln des Landes Sachsen-Anhalt finanziert. Projektverantwortlicher ist Prof. Dr. Felix Biermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im LDA und Professor für Frühmittelalterarchäologie an der Universität Stettin (Szczecin, Polen). Im Sommer soll das ständige Grabungsteam durch Studentinnen und Studenten aus Halle, Stettin und Barcelona verstärkt werden, die hier ihr universitäres Grabungspraktikum absolvieren werden.
(sus; Fotos: Sperling)