Aufholen nach Corona
Bischof Dr. Gerhard Feige besucht Elisabeth Gymnasium in Halle
„Als Schüler musste ich in der 10. Klasse einmal einen Hausaufsatz zum Thema „Darstellung der eigenen Entwicklung“ schreiben“, erzählt Bischof Dr. Gerhard Feige auf der Lehrerkonferenz des Elisabeth-Gymnasiums in Halle.“ Darin habe ich mich gewagt, auch Kritik an der DDR-Erziehung zum Hass und Kampf gegen Andersdenkende und angebliche Feinde zu üben. Die schulische Reaktion darauf war eindeutig. Ich bekam keinerlei Zensuren und musste mir am Ende einer langen und vernichtenden Entgegnung sagen lassen: „So kann man nicht denken, wenn man in der DDR aufgewachsen ist!““
Offensichtlich habe es damals ein ganz klares Ziel der Erziehung gegeben: es sollte eine – wie es hieß – sozialistische Persönlichkeit herangebildet werden, vom Marxismus-Leninismus überzeugt und der Partei der Arbeiterklasse ergeben. Dass das Christentum dabei als reaktionäres Hindernis angesehen wurde, dürfte verständlich sein. Dementsprechend traute man dem Glauben im Allgemeinen und der Kirche im Besonderen absolut nicht über den Weg. „Darum wäre eine Schule wie das Elisabeth-Gymnasium zu dieser Zeit undenkbar gewesen, auf keinen Fall staatlich anerkannt worden. Wer hätte damals – aber auch noch um 1989 herum – gedacht, dass es in Halle und an anderen Orten in unserer Region irgendwann einmal eine Alternative zum staatlichen Schulsystem geben würde, die sich ausdrücklich am christlichen Menschenbild orientiert!“, so der Bischof.
Inzwischen feiert das Elisabeth-Gymnasium seinen 30. Geburtstag. Neben zahlreichen neuen politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Herausforderungen mussten sich Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern der Herausforderung „Corona“ stellen.
Zwei Abiturjahrgänge haben unter den erschwerten Bedingungen ihre Klausuren und Prüfungen absolviert und das mit Bravour, wie Schulleiter Hans-Michael Mingenbach betont. Dennoch gäbe es viel zu tun, denn die Pandemie ist nicht spurlos an der Schulgemeinschaft vorübergegangen. Nicht jedem Schüler ist es gelungen, seine Arbeit selbst zu organisieren. Der Kontakt zu Gleichaltrigen hat gefehlt und bei den jüngeren Jahrgängen, die gerade den Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium vollzogen haben, konnte keine Klassengemeinschaft aufgebaut werden.
„Auch die Ungewissheit und ständige Veränderungen haben einige Schülerinnen und Schüler sehr verunsichert“, erzählt der Schülervertreter. „Mal Lock down, dann Wechselunterricht und zurück, dazu die Sorge um die Noten und die Sehnsucht, mit Freunden etwas zu unternehmen.“
Zum Krisenmanagement hat die Schulleitung versucht alle mit ins Boot zu nehmen. Elternvertreter, Schülervertretung und Mitarbeiter haben alle an einem Strang gezogen. Digital hat sich die Kompetenz der Schule und der Schülerinnen und Schüler enorm verbessert. „Viel Kreativität wurde gezeigt“, so Mingenbach. Wie es denn mit dem Sportunterricht gewesen sei, wollte der Bischof wissen und alle lachen. „Ich wusste gar nicht, wie herausfordernd das Socken anziehen sein kann“, erzählt eine Elternvertretern von den Videoanleitungen der Sportlehrer. „Aber beim Flick Flack filmen haben wir dann aufgegeben!“
Corona steckt allen noch in den Knochen und die jüngsten Pandemie-Entwicklungen lassen wenig Erfreuliches für den Winter erwarten. Trotzdem denkt das Elisabeth-Gymnasium schon an die Zukunft. Unter dem Titel „Aufholen nach Corona“ kümmern sich Lehrerschaft und Schülervertretung um psychologische Betreuung für Einzelne, die sozial-emotional besonders herausgefordert waren. Zudem sollen Feriencamps die Möglichkeit bieten, Wissen aufzuholen. Und die SV vermittelt individuelle Nachhilfe. Aber alle wünsche sich auch ein wenig Gelassenheit. Eine Mutter fasst es so zusammen: „ Normal Schule wie immer geht nicht mehr, man hat das Gefühl immer irgendwie hinterher zu hecheln. Ich wünsche mir Gelassenheit und Vertrauen, dass es den Kinder gelingt, ohne zu viel Stress, Wissen und Kompetenzen nachzuholen.“
(sus; Foto: Sperling)