Kirchenaustritte, Missbrauch, Synodaler Weg
Die Themenliste der Bischöfe bei der digitalen Frühjahrsvollversammlung war lang. Der DBK-Vorsitzende stellt die Ergebnisse vor.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Dr. Georg Bätzing, hat die Verantwortung aller Bischöfe für die Lage der Kirche betont. "Wir alle müssen uns der Kritik stellen", sagte Bätzing laut Abschlussbericht der Frühjahrsvollversammlung. Die Bischöfe würden aber zu ihrer Zusage stehen, vorbehaltlose Aufarbeitung und Aufklärung sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen im kirchlichen Raum zu leisten. Es gebe allerdings noch "viel zu tun". "Das Thema ist in keiner Weise abgeschlossen und wird es mit Blick auf die Prävention auch niemals sein", so Bätzing. "Allerdings weise ich den Vorwurf zurück, die Bischöfe würden schweigen oder seit Jahren nichts tun.
Bätzing verwies dabei auf die Einrichtung von Aufarbeitungskommissionen, Überlegungen, die kirchliche Strafprozessordnung zu ändern, eigene Strafgerichte einzurichten und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche zu reformieren. Diese Überlegungen seien weit fortgeschritten und müssten nun mit Rom abgestimmt werden.
Fokus allein auf Woelki "allzu kurzschlüssig"
Weiter kritisierte Bätzing die öffentliche Meinung über die Situation im Erzbistum Köln. "Ja, es gibt viele Kirchenaustritte, auch wegen des Bildes, das die Kirche derzeit abgibt. Und sicherlich gibt es manches im Erzbistum Köln zu klären", so Bätzing. "Aber allein den Fokus auf den Erzbischof von Köln zu richten, wäre doch allzu kurzschlüssig."
In der Auseinandersetzung mit geistlichem Missbrauch sollen künftig Ansprechpartner für Betroffene in den jeweiligen Bistümern ernannt werden. "Wir nehmen dieses Phänomen sehr ernst und müssen auch hier Licht ins Dunkel bringen", sagte der DBK-Vorsitzende. Einen Offenen Brief von Betroffenen an ihn und Bischof Heinrich Timmerevers nannte Bätzing einen "konstruktiven Beitrag in dieser Thematik", der auffordere, am Thema dranzubleiben.
Die Bischöfe werteten während der Vollversammlung auch die Online-Veranstaltung des Synodalen Wegs aus. Thema waren dabei unter anderem Einwände an der theologischen Qualität der von den Arbeitsgruppen vorgelegten Texte. Diese werden in den Kommissionen der DBK, vor allem der Glaubenskommission, noch weiter diskutiert. "Besonders angesprochen wurde in diesem Zusammenhang das Zueinander von Lehre und Praxis", heißt es mit Blick auf Themen wie "Rolle der Frau" und "Homosexualität". Die Bischöfe hätten sich darauf verständigt, theologische Grundfragen dieser Art auch weiterhin zu vertiefen. Bätzing zeigte sich zuversichtlich über den Fortschritt des Synodalen Wegs. Ergebnisse sollen auch in die für 2022 einberufene Bischofssynode in Rom einfließen, die unter dem Thema "Synodalität" steht. Auf Protestaktionen wie den Thesenanschlag von "Maria 2.0" ging der Vorsitzende nur indirekt ein. "Einige meinen, nur durch lauten öffentlichen Protest ließen sich die notwendigen oder von ihnen für notwendig erachteten Veränderungen voranbringen", so Bätzing. Er bewerte das nicht, wolle aber klarstellen, dass der Synodale Weg ein geistlicher Prozess sei, der sich nicht beliebig beschleunigen lasse: "Gerne versichere ich allen Kritikerinnen und Kritikern: Die Bischöfe bleiben auf Kurs. Aber wir können und werden uns gerade um des Erfolgs des ganzen Projekts willen weder drängen noch bedrängen lassen", so Bätzing weiter.
Studientag zu Erfahrungen mit Kirchenaustritt und Kirchenverbleib
Für die hohen Kirchenaustrittszahlen machte Bätzing auch innerkirchliche Vorgänge verantwortlich. Auch deshalb habe sich die Konferenz mit dem Thema einer zukunftsfähigen Kirche beschäftigt. Studien zeichneten ein trübes Bild: Der größte Teil der Katholiken werde von der Kirche nicht mehr erreicht. Der Vorsitzende der Pastoralkommission, Bischof Franz-Josef Bode, betonte daher, dass sich der Blick weiten müsse auf Menschen, die nicht in Pfarrgemeinden beheimatet sind. Katholiken müssten zudem in ihrer Lebenswirklichkeit ernst genommen werden. "Das wünschen sich vor allem Menschen mit Brüchen in der Biographie, Menschen, die nicht selten auch durch lehramtliche Aussagen oder Ausschlüsse vom kirchlichen Leben sehr verletzt wurden", so Bätzing.
Zwar könne ein Studientag der Bischofskonferenz keine Patentrezepte entwickeln. Es gebe aber bereits gute pastorale Konzepte, betonte der Vorsitzende. Diese Konzepte würden aber noch zu wenig wahrgenommen. Daher sollen die Ergebnisse des Studientags auch auf der Webseite der Bischofskonferenz zur Verfügung gestellt werden. Bätzing zitierte auch das Fazit eines ungenannten Bischofs: "Wir müssen großzügiger sein und Vielfalt, ja auch Ungleichzeitigkeiten ermöglichen und aushalten, auch in den Glaubenswegen, in den Formen von Kirchesein, in der Offenheit der Lebenswege und der Wahrheitssuche von Menschen."
"Wie aus Krisen Chancen werden, ist Chefsache", fasste Bätzing den Impuls einer Expertin zusammen: Menschen kündigten ihren Chefs, nicht ihren Aufgaben. Neben einer offenen Haltung der Bischöfe, die aus "Vertrauen in die Gläubigen, im gemeinsamen Ringen um die bestmöglichen Rahmenbedingungen von Kirche heute, im Mitfühlen mit den Menschen in den aktuellen Krisen und im Vermitteln von Hoffnungsperspektiven" bestehe, brauche es auch "Kundschafter", die Brücken bauen zu den Menschen vor Ort, so Bätzing. Das müsse auch ökumenisch geschehen: Künftig will sich die DBK an der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) beteiligen, mit der die EKD seit 1971 die Haltungen und Auffassungen ihrer Mitglieder untersucht.
Assistierter Suizid
Noch einmal betonte Bätzing die Grundhaltung der Kirche zum assistierten Suizid: "Die Beihilfe zum Suizid ist keine zustimmungsfähige Handlungsmöglichkeit." Anstatt Hilfestellung zum Suizid brauche es Unterstützung bei der Entwicklung von Lebensperspektiven von Menschen, die Suizidwünsche äußern. Trotz des Vorstoßes einiger evangelischer Theologen sieht sich die Bischofskonferenz weitgehend einig mit dem Rat der EKD in dieser Position und will die Thematik weiterhin in ökumenische Dialoge einbringen. Kritik übte Bätzing an den beiden dem Bundestag vorliegenden Gesetzesentwürfen zum assistierten Suizid. Die dort vorgeschlagenen Rahmenbedingungen würden weder "einen wirksamen Schutz des Lebens noch die Autonomie der betroffenen Personen angesichts der physischen und psychischen Belastungen gewährleisten", so der Vorsitzende.
Stattdessen werben die Bischöfe bei der Gestaltung der letzten Lebensphase alter und kranker Menschen für das Leitbild eines Sterbens in Würde. Vor diesem Hintergrund stelle die Hospiz- und Palliativversorgung ein "wichtiges Desiderat" für Menschen mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung dar. Bätzing wies darauf hin, dass die Bischöfe eine geplante Erklärung zur palliativen und seelsorglichen Begleitung von Sterbenden diskutiert haben, die die kirchliche Seelsorge in der Hospiz- und Palliativversorgung erläutert. Das Dokument, eine Erklärung der Pastoralkommission, setzte die drei Bereiche der Palliative Care, Spiritual Care und kirchlichen Seelsorge zueinander ins Verhältnis. Dabei stehe besonderes das junge Fachgebiet der Spiritual Care im Fokus: Einerseits dürfe kirchliche Seelsorge nicht in dieser aufgehen und "dabei das Besondere der christlichen Tradition zugunsten einer größeren Akzeptanz im säkularen Umfeld aufgeben", andererseits dürfe sich kirchliche Seelsorge nicht in einen einfachen Gegensatz zu deren Konzepten setzen.
Der einfühlsame Umgang mit existenziellen Fragen und Fragen des Glaubens, die sich in der Nähe des Todes stellen, gewinne in einer zunehmend alternden Gesellschaft mehr an Bedeutung. Dazu leiste die kirchliche Seelsorge einen wesentlichen Beitrag. "Um diese pastorale Begleitung auch in Zukunft gewährleisten zu können, ist zum einen der multiprofessionelle Austausch und zum anderen die innerkirchliche Zusammenarbeit von Priestern und Laien, Haupt- und Ehrenamtlichen notwendig", so Bätzing. In diesem Zusammenhang wies er auf die diesjährige ökumenische Woche für das Leben vom 17. bis 24. April hin, die unter dem Leitwort "Leben im Sterben" steht.
Ökumene: Bischöfe nehmen Hinweise aus dem Vatikan ernst
Die Hinweise der vatikanischen Glaubenskongregation zum Votum des Ökumenischen Arbeitskreises (ÖAK) "Gemeinsam am Tisch des Herrn" zur wechselseitigen Teilnahme von Katholiken und Protestanten an Eucharistie/Abendmahl nehmen die deutschen Bischöfe nach den Worten ihres Vorsitzenden sehr ernst. "Uns ist es wichtig, dass das Gespräch über die strittigen Punkte fortgeführt wird und eine qualifizierte Rezeption des Votums erfolgt", so Bätzing. Vor allem drei Themenkomplexe bedürften der weiteren Diskussion: "die hermeneutische Frage der Verhältnisbestimmung von Einheit und Vielfalt, der innere Zusammenhang von Eucharistie, Kirche und Amt und Fragen einer Theologie des Gewissens". Um die theologische Auseinandersetzung hierüber zu fördern, sollen in Deutschland und auf internationaler Ebene, möglichst in Rom, Fachtagungen veranstaltet werden. "Darüber hinaus werden wir als Bischofskonferenz auch das direkte Gespräch mit den römischen Dikasterien suchen, sobald die Corona-Pandemie eine Begegnung zulässt", so Bätzing.
Auf Nachfrage betonte der DBK-Vorsitzende, er würde einem evangelischen Christen, der vor ihn tritt, die heilige Kommunion nicht verwehren. Er sehe sich dabei auch im Einklang mit päpstlichen Dokumenten. "Das ist Praxis jeden Sonntag in unseren Gemeinden, und diese Praxis übe ich auch aus." Daher maßregle er auch keinen Priester, der dies genauso handhabt. Nicht möglich sei jedoch eine allgemeine Einladung für Protestanten zur Eucharistiefeier, weil dies aus katholischer Perspektive Kirchengemeinschaft voraussetzen würde. "Und die haben wir nicht", ergänzte Bätzing. Die Gewissensentscheidung Einzelner sei jedoch davon unabhängig schon jetzt zu respektieren.
Neue Projektgruppe für die Priesterausbildung in Deutschland
Im Rahmen der Beratungen um eine Reduktion der Priesterausbildungsstätten in Deutschland haben die Bischöfe eine weitere Projektgruppe eingerichtet, um die Möglichkeiten des Standorts Erfurt zu ermitteln. Bisher hatte es drei Arbeitsgruppen zu den möglichen Standorten Münster, Mainz beziehungsweise Frankfurt-Sankt Georgen und München gegeben. Alle Projektgruppen hätten den Auftrag, durch Hinzunahme von Vertretern der theologischen Fakultäten der jeweiligen Region sowie Ausbildungsverantwortlichen der anderen kirchlichen Berufe den Bereich des Studiums und der kooperativen Ausbildung in den Blick zu nehmen, betonte der DBK-Vorsitzende. Zudem habe sich der bislang neunköpfige Beirat unter der Leitung des Fuldaer Bischofs Michael Gerber konstituiert, der übergreifende Fragestellungen bearbeiten soll. In Absprache mit dem Katholisch-Theologischen Fakultätentag sei vereinbart worden, dass vonseiten des Fakultätentages ein weiteres Mitglied für den Beirat benannt wird.
Die Frühjahrsvollversammlung von Dienstag bis Donnerstag fand Pandemie-bedingt zum ersten Mal virtuell statt. Im Mittelpunkt der Beratungen stand am Mittwoch ein Studientag zum Thema Kirchenaustritte und Kirchenverbleib. Weitere Themen waren unter anderem die Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen und geistlichen Missbrauchs sowie der Synodale Weg, die Debatte um den assistierten Suizid und der Umgang mit dem Votum des Ökumenischen Arbeitskreises "Gemeinsam am Tisch des Herrn".
Bereits am Dienstag war Beate Gilles als künftige Generalsekretärin der Bischofskonferenz gewählt und vorgestellt worden. Sie ist die erste Frau überhaupt in diesem Amt und folgt auf den Jesuiten Hans Langedörfer, der fast 25 Jahre lang DBK-Sekretär war. Langendörfer beriefen die Bischöfe zum Präsidenten des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes (KAAD), den Jesuiten Martin Maier zum neuen Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerks Adveniat. (cbr/fxn/mal)
Abschlussbericht der DBK Vollversammlung zum Download
(cbr/fxn/mal /katholisch.de; Foto Sascha Steinbach/epa)