Bätzing ruft Bischöfe zu radikaler Wende auf
Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda beendet
Zu einer radikalen Wende in ihrem Wirken und ihrem Amtsverständnis hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die katholischen Bischöfe in Deutschland aufgefordert. Zugleich übte der Limburger Bischof scharfe Kritik am bisherigen Auftreten der Bischöfe. Für die jetzt anstehenden, strittigen Reformdebatten brauche es "den Geist und den Mut zur Umkehr", sagte Bätzing in seiner Predigt zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda und fuhr fort: "Kehrt um! Denkt neu! Das ist in der Tat mehr und anders als bloß etwas Anpassung und Fortschreibung."
Ohne eine echte Umkehr würden die Bischöfe der Wucht des Missbrauchs-Skandals und der Dramatik der Entkirchlichung nicht gerecht, betonte der Vorsitzende, der zugleich Ko-Präsident des Kirchenreformprojekts Synodaler Weg ist. Für Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft sei das bisherige Auftreten der Bischöfe ein Anlass, das Erlösungsangebot der Kirche "als anmaßend und übergriffig und angesichts des Missbrauchs obsolet zurückzuweisen". Bätzing fügte hinzu, die Bischöfe selbst hätten erheblich dazu beigetragen, dass die von ihnen verkündete Botschaft des Evangeliums nicht mehr verstanden werde.
Kirche sei "keine Veranstaltung von Menschen mit weißer Weste für solche, die es von uns erst lernen, es kapieren und annehmen müssten, was es bedeutet, erlöst zu werden", betonte Bätzing und erinnerte daran, dass die Bischöfe "Nachfolger einiger großer Sünder sind, die der Herr ins Apostelamt berufen hat". Nur wenn sie das, was in ihnen "gottlos und sündhaft" sei, hinter sich ließen, könnten sie ihrer Berufung zum bischöflichen Dienst gerecht werden. Es stehe der Kirche nicht zu, Menschen von ihren Sünden zu erlösen, und das könne sie auch gar nicht, das könne nur Jesus Christus, denn "er ist das Licht der Völker, wir sind nur Zeichen und Werkzeug", so Bätzing zum Abschluss seiner Predigt im Fuldaer Dom.
Auf der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda wurden zahlreiche Themen besprochen, das sind die Ergebnisse:
Die deutschen Bischöfe wollen grundsätzlich an dem aktuellen Verfahren bei den Anerkennungsleistungen für Betroffene sexualisierter Gewalt festhalten. Gemeinsam mit der zum 1. Januar 2021 eingerichteten Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) seien bereits mehrere Maßnahmen für eine Verkürzung der Bearbeitungsdauer ergriffen worden, "die – davon gehen wir aus – jetzt spürbar wird", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, am Donnerstag bei der Abschlusspressekonferenz der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda. Das weiterentwickelte Verfahren trage zahlreichen Anforderungen Rechnung, die von Betroffenen und aus der Wissenschaft eingebracht worden seien. "So wurde Unabhängigkeit etwa durch ein zentrales und unabhängiges Entscheidungsgremium, das verbindlich die Leistungshöhe festsetzt, geschaffen", betonte Bätzing.
Das Verfahren sei transparent, auch die Leistungshöhe sei deutlich angehoben worden, so Bätzing weiter. Hierbei lehne man sich an einen rechtsstaatlich üblichen und von der Kirche unabhängigen Referenzrahmen an, die Höhe der Leistungen orientiere sich an Schmerzensgeldzahlungen staatlicher Gerichte in vergleichbaren Fällen. "Dabei haben wir bewusst entschieden, dass sich die im weiterentwickelten Verfahren festgesetzten Leistungen am oberen Bereich der Schmerzensgeldtabellen orientieren."
Zuletzt hatte der Betroffenenbeirat der DBK in einem Offenen Brief an die Bischöfe das Verfahren und dabei insbesondere die lange Bearbeitungsdauer einzelner Fälle kritisiert. "Wir verstehen, dass Betroffene durch das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die langen Bearbeitungszeiten erneut Retraumatisierung erleiden können", so Bätzing. Die Bischöfe bedauerten, dass Erwartungen enttäuscht worden seien. Mitte Oktober sei deshalb ein Gespräch zwischen Vertretern des Betroffenenbeirats, der Unabhängigen Anerkennungskommission, der Deutschen Ordensoberkonferenz und der Bischofskonferenz anberaumt. Dabei sollen die Kritikpunkte noch einmal diskutiert und mögliche Maßnahmen besprochen werden.
Im Hinblick auf die Aufarbeitung und Prävention sexuellen Missbrauchs einigten sich die Bischöfe auf eine Standardisierung der Personalaktenführung von Klerikern. Die Personalaktenordnung (PAO) soll demnach als diözesanes Gesetz möglichst wortlautidentisch in den Amtsblättern der (Erz-)Diözesen veröffentlicht werden und zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Damit können Missbrauchsbeschuldigungen künftig in allen Diözesen verbindlich, einheitlich und transparent dokumentiert werden. Die Standardisierung der Personalaktenführung war eine der Verpflichtungen, die die deutschen Bischöfe im Anschluss an die Veröffentlichung der MHG-Studie eingegangen sind.
Bei ihrem Studientag beschäftigten sich die deutschen Bischöfe mit dem Thema Synodalität als Grundverfasstheit von Kirche im Allgemeinem und dem Synodalen Weg im Speziellen. So gibt es laut Bätzing unter den Bischöfen zwar auch kritische Stimmen. "Aber wir bleiben im Gespräch und arbeiten miteinander an Perspektiven, sodass wir unsere Erfahrungen auch in den Synodalen Weg der Weltkirche einbringen können." Zuletzt hatte der Regenburger Bischof Rudolf Voderholzer eine eigene Internetseite mit Alternativvorschlägen zum offiziellen Grundlagentext des Synodalforums I zum Thema "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" freigeschaltet. Auch Bischof Stefan Oster, der Mitglied des Forums IV zur Sexualmoral ist, veröffentlichte eigene Gedanken zum Thema abseits des Synodalen Wegs.
Die Bischöfe hätten darüber hinaus auch einen Bericht der Glaubenskommission entgegengenommen, der sich mit dem entsprechenden Grundtext des Synodalforums "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" befasst. Anlass dafür war die Sorge der Bischöfe, der Text könne "Ausgangspunkt für die Entwicklung einer der Kirche wesensfremden Sozialstruktur werden". Die notwendigen Reformen müssten das Ziel haben, die Kirche in ihrem Wesenskern zu stärken, sie zur Verkündigung zu befähigen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. "Deshalb müsse beim Umgang mit Macht nach einem Modus gesucht werden, der sowohl den an politisch-gesellschaftliche Standards gewohnten Menschen als auch der Kirche gerecht wird." Mit Blick auf die weltweite Bischofssynode, die im Oktober beginnt, betonte Bätzing noch einmal, dass er das Vorbereitungsdokument "als Zeichen der Hoffnung und Zuversicht" lese.
Diskutiert wurde zudem über ein Zueinander der theologischen Quellen – Schrift und Tradition, Zeichen der Zeit und Glaubenssinn der Gläubigen sowie Theologie und Lehramt. Anlass sei ein entsprechender Orientierungstext, den das Präsidium des Synodalen Weges bei der Synodalversammlung in der kommenden Woche in Frankfurt vorlegen will. "Wer nach neuen Wegen für die konkrete Praxis der Kirche sucht, muss sich darüber vergewissern, aus welchen Quellen er die Orientierung auf diesen neuen Pfaden schöpft", so Bätzing. Es gehe darum, die Kernanliegen der Kirche von ihrem Ursprung her in eine neue Zeit mit neuen Bedingungen und Anforderungen zu tragen. "Das aber soll weder auf eine 'zeitgeistige' Selbstverlorenheit noch auf ein ängstlich-traditionalistisches Sich-in-sich-selbst-Verschließen hinauslaufen." In einer offenen und freimütigen Diskussion hätten die Bischöfe deshalb miteinander versucht, die Aspekte einzubringen und abzuwägen, "damit der Synodale Weg aus geistigen und geistlichen Quellen schöpft und nicht nur den Versuch einer Verwaltungsreform darstellt".
Laut Pressebericht habe der Vorsitzende der Liturgiekommission, Bischof Stephan Ackermann (Trier), den Bischöfen über die großen Herausforderungen der Corona-Pandemie für das liturgische Leben berichtet. Dabei sei er auf die einschlägigen kirchlichen Schutz- und Begleitmaßnahmen ebenso eingegangen wie auf die durch Corona vermutlich noch zusätzlich geschwächte Verbundenheit vieler Gläubigen mit dem liturgisch-sakramentalen Leben. Einen weiteren Themenschwerpunkt habe Ackermann in seinem Bericht auf die Frage unangemessener Machtausübung im Zusammenhang der Liturgie gelegt.
Die deutschen Bischöfe wollen in den kommenden Monaten außerdem einen Text zum kirchlichen Seelsorgeverständnis veröffentlichen. Hintergrund sei, dass der Begriff einerseits in unterschiedlichen christlichen wie auch in anderen religiösen, kulturellen und institutionellen Zusammenhängen zur Anwendung komme, andererseits das verstärkte Engagement von Ehrenamtlichen hauptberufliche Seelsorgerinnen und Seelsorger herausfordere und ihre Aufgabenprofile verändere. Das Dokument, das den Titel "In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche" tragen soll, erläutere einerseits theologisch grundlegend das kirchliche Selbstverständnis von Seelsorge und behandle im Sinn einer aktualisierenden Konkretisierung drei zentrale Themenstellungen. Ziel des Textes sei es, den Diskurs zu einer theologisch vertieften wie auch gesellschaftlich relevanten Selbstvergewisserung von Seelsorge nach innen anzuregen.
Im Hinblick auf die veränderte Lebenswirklichkeit junger Menschen gab der DBK-Vorsitzende bekannt, dass die Vollversammlung neue Leitlinien zur Jugendpastoral beschlossen habe. "Sie greifen theologische und pädagogische Weiterentwicklungen sowie die Papiere der Jugendsynode von 2019 auf", so Bätzing. Wenn junge Menschen heute nach einem tragfähigen Lebens- und Gottesglauben suchten, geschehe das in einer Zeit, in der Kirche von vielen nicht mehr als Ort für weltanschauliche Orientierung oder sogar Gottessuche wahrgenommen werde. Zugleich solle das Papier den Bischöfen helfen, jugendliche Lebenswelten zu verstehen. "Neben der Individualisierung von Religiosität beobachten wir eine weite Pluralisierung religiöser Überzeugungen und Formen jugendlicher Religiosität, die sich nur noch teilweise mit institutionellen Formen decken." Die Jugendpastoral dürfe sich dabei nicht verschließen und in ihren eigenen Kreisen verstricken. Wichtigcsei auch, die durchgreifenden Prozesse der Digitalisierung und der Globalisierung in ihrer Bedeutung für die Jugendpastoral zu rezipieren und zu reflektieren. Die neuen Leitlinien sollen Anfang November veröffentlicht werden. Die letzten stammen aus dem Jahr 1991.
Die deutschen Diözesan- und Weihbischöfe hatten seit Montag in Fulda getagt. Unter anderem wurden die Mitglieder der 14 Bischöflichen Kommissionen neu gewählt, die für die inhaltliche Arbeit der Bischofskonferenz zwischen den Vollversammlungen zuständig sind. Sieben der Kommissionen haben einen neuen Vorsitzenden. Auch in den Unterkommissionen gab es Veränderungen. Daneben diskutierten die Bischöfe über Perspektiven für Afghanistan, den Dialog der katholischen Kirche mit dem Judentum in Deutschland und das kirchliche Engagement zur Bewahrung der Schöpfung. Erstmals nahm die neue Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, an einer Vollversammlung teil. Sie hatte zum 1. Juli ihr Amt angetreten. Offiziell beenden die Bischöfe ihr Zusammentreffen am Abend mit einem Gottesdienst im Fuldaer Dom.
Neue Chefs in den Kommissionen der Bischofskonferenz
Generationswechsel bei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz: Die mehr als 60 Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe haben am Dienstag in Fulda die Mitglieder der 14 bischöflichen Kommissionen neu gewählt, die für die inhaltliche Arbeit der Bischofskonferenz zwischen den Vollversammlungen zuständig sind. Bischof Dr. Gerhard Feige wurde als Vorsitzender der Ökumene-Kommission wiedergewählt.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, sprach im Vorfeld vom größten Personalumbruch seit mehr als 10 Jahren. In den Gremien arbeiten neben den Bischöfen auch insgesamt 160 Experten mit, darunter auch zahlreiche Laien. Der Frauenanteil wächst laut Bätzing auf rund 40 Prozent.
Neuer Vorsitzender der wichtigen Glaubenskommission wird der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck; er übernimmt dieses Amt vom Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der erst kürzlich nach mehrmonatiger Krankheit ins Amt zurückgekehrt war. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf leitet künftig die Pastoralkommission, die bisher der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode verantwortete.
Der Fuldaer Bischof Michael Gerber übernimmt den Vorsitz der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste und folgt damit auf den Münsteraner Bischof Felix Genn, der der Kommission seit mehr als 15 Jahren vorstand.
Ein überraschendes Comeback machte der frühere Konferenzvorsitzende, der Münchner Kardinal Reinhard Marx. Er leitet als Nachfolger von Gebhard Fürst (Rottenburg-Stuttgart) künftig die Publizistische Kommission, die auch für die kirchlichen Medien zuständig ist.
Ebenfalls überraschend war die Wahl des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer zum Vorsitzenden der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen.
Neuer Vorsitzender der Kommission Weltkirche wurde erwartungsgemäß der Augsburger Bischof Bertram Meier. Als einziger Weihbischof übernahm der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe eine Kommission. Er ist jetzt als Nachfolger des Passauer Bischofs Stefan Oster Vorsitzender der Jugendkommission. Damit haben 7 von 14 Kommissionen einen neuen Vorsitzenden.
Der gerade erst vom Papst in seinem Amt bestätigte Hamburger Erzbischof Stefan Heße leitet auch weiter die für das Migrationsthema zuständige Kommission. Ebenfalls unverändert bleiben die Spitzen der Kommissionen für Ökumene (Gerhard Feige, Magdeburg), Schule (Hans-Josef Becker, Paderborn), Liturgie (Stephan Ackermann, Trier), Familie (Heiner Koch, Berlin), Caritas (Stephan Burger, Freiburg) sowie für Wissenschaft und Kultur (Kardinal Rainer Maria Woelki, Köln).
(kna/mal/bod/DBK; Foto: KNA-Bild)
Predigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing - pdf
Presseinformation der DBK - pdf