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Verlässliche Weggemeinschaft

75 Jahre Lutherischer Weltbund und Deutsches Nationalkomitee

Aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums des Lutherischen Weltbundes und seines Deutschen Nationalkomitees hat Bischof Dr. Gerhard Feige, die ökumenischen Verdienste beider Einrichtungen gewürdigt. Weltbund und Nationalkomitee ständen nicht nur für Zusammenarbeit und Zusammenhalt innerhalb des Luthertums, sondern seien als institutionelle Verkörperungen der lutherischen Tradition für die katholische Kirche weltweit und zugleich für die Deutsche Bischofskonferenz wichtige ökumenische Partner.

Bei einem Festakt auf der Wartburg bei Eisenach würdigte Bischof Feige als Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 als die hervorragendste Frucht des katholisch-lutherischen Dialogs: „Selbst wenn unser bilateraler Dialog nicht immer einfach war und ist und die beiderseitigen Beziehungen bis in die jüngste Zeit durch manche Entwicklungen und Äußerungen … belastet wurden, hoffe und wünsche ich, dass auch die Ergebnisse anderer Dokumente der Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit sowie nationaler Dialoge und insbesondere die dort formulierten Annäherungen und Übereinstimmungen im Themenfeld ‚Eucharistie – Kirche - Amt‘ bald zu einem Reifegrad gelangen, der eine weitere kirchenamtliche Rezeption möglich macht und neue Schritte auf dem Weg zur Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft eröffnet“, so Bischof Feige.

Eingebettet in die internationalen Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Lutherischen Weltbund gebe es auch in Deutschland „eine lange und verlässliche katholisch-lutherische Weggemeinschaft“. Seit rund 50 Jahren hätten bilaterale Arbeitsgruppen, die von der Deutschen Bischofskonferenz und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands eingesetzt wurden, verschiedene Dialogpapiere erarbeitet. Dazu gehöre vor allem die Anfang 2017 veröffentlichte Studie „Gott und die Würde des Menschen“. Hier, so Bischof Feige, sei Pionierarbeit geleistet worden: „Entgegen der These eines ethischen Grunddissenses und der daraus bisweilen gezogenen Konsequenz einer grundsätzlichen Infragestellung des Dialogs kommt die Studie zu der Einsicht, dass es zwischen Katholiken und Lutheranern eine tiefreichende Gemeinsamkeit in der Anthropologie und in der Ethik gibt und Unterschiede in manchen ethischen Einzelfragen als begrenzte Dissense zu bewerten sind, die den Grundkonsens nicht aufheben. Die Studie ist von der Erfahrung eines gemeinsamen sozialen Einsatzes in verschiedenen Handlungsfeldern getragen, der Ausdruck der bestehenden Übereinstimmung ist und trotz des ein oder anderen Dissenses in der Ethik auch künftig nicht infrage gestellt werden darf.“

In seinem Grußwort fügte Bischof Feige hinzu: „Christlicher Glaube, der nicht auch gute Früchte hervorbringt, ist toter Glaube. Die Rede von den guten Werken war lange ein Reizwort in den kontroverstheologischen Auseinandersetzungen.“ Umso erfreulicher sei es, dass in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre beide Seiten einen Konsens formulieren konnten, der schon lange zuvor Niederschlag in dem großen sozialen Engagement des Lutherischen Weltbundes und des Deutschen Nationalkomitees mit den zahllosen humanitären Hilfsprojekten für Vertriebene, Flüchtlinge, Hungernde und andere, die Unterstützung brauchen, gefunden habe.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte in seinem Grußwort, die beiden Organisationen trügen „mit ihrer wichtigen und kirchenübergreifenden Arbeit dazu bei, den Grundkonsens des Luthertums weiter in die Gesellschaft zu tragen“. Der Einsatz der Lutheraner für Klimagerechtigkeit, die Fairness zwischen den Geschlechtern und für weltweiten Frieden erscheine in Zeiten von Energiekrisen, grausamen Kriegen, steigenden Meeresspiegeln, Hungersnöten oder der Diskriminierung von Minderheiten und anhaltendem Rassismus „nötiger denn je“. Die Welt brauche heute „Kraft und Solidarität und noch mehr lutherische Fröhlichkeit.“

LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt sprach über die „zentralen Säulen“ der Arbeit der Kirchengemeinschaft. Diese seien von Anfang an die innerlutherische Zusammenarbeit und theologische Reflexion, der ökumenische Dienst an der universalen Kirche, die Hilfe für notleidende Menschen sowie das gemeinsame Engagement in der Mission gewesen. Sie kündigte an, dass der Umgang mit den Folgen der Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine wichtige Themen der im September 2023 im polnischen Krakau stattfindenden nächsten LWB-Vollversammlung sein würden.

Der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer betonte, das DNK/LWB sei ein „Übersetzer ganz im Sinne Luthers“ sowie „unser Fenster zur lutherischen Welt“. Es sei auch „Spezialist für die weltweite lutherische Theologie und deren feine Unterschiede und Brückenbauer im ökumenischen Gespräch über alte Kriegsgräben hinweg“.

75 Jahre sind durchaus ein Grund zum Feiern. Doch der Lutherische Weltbund - die Vertretung von 148 Mitgliedskirchen in weltweit 99 Ländern - ist mit Blick auf aktuelle Spannungen nicht in großer Feierstimmung. 

Die Feier zum 75. Geburtstag fiel kleiner aus als die zum 70-jährigen Bestehen. Damals kam als höchstrangiger Gast Papst Franziskus ins schwedische Lund. Wobei hinzugefügt werden muss, dass seinerzeit zugleich das 500-Jahr-Gedenken an die Reformation feierlich eröffnet wurde, was der eigentliche Grund für die Teilnahme des Oberhaupts der katholischen Kirche war. Für den am 1. Juli 1947 in Lund gegründeten Lutherischen Weltbund (LWB) war dies gleichwohl ein Höhepunkt in seiner Geschichte. 

Bei dessen Gründung war freilich an einen Papstbesuch noch nicht zu denken. Damals waren es 49 lutherische Kirchen, die sich als „freie Vereinigung von Kirchen“ zusammenschlossen. Vorläufer war der Lutherische Weltkonvent, der sich 1923 in Eisenach konstituiert hatte. Heute ist der LWB nach eigener Darstellung eine weltweite Gemeinschaft von 148 Kirchen lutherischer Tradition in 99 Ländern, denen mehr als 75,8 Millionen Christinnen und Christen angehören. Allerdings gehören längst nicht alle lutherischen Christen zum LWB. Weitere 54 „konfessionsgebundene“ - also theologisch konservativere - evangelisch-lutherische Kirchen mit rund 7,15 Millionen Gläubigen sind im 1958 gegründeten Internationalen Lutherischen Rat (ILC) zusammengeschlossen. 

Auch innerhalb des LWB gibt es Spannungen - etwa zum Umgang mit Homosexualität, einem Thema, das von den verschiedenen Seiten gerne zur Glaubensfrage hochstilisiert wird. Auch in Sachen Frauenordination, die inzwischen von rund 80 Prozent der LWB-Mitgliedskirchen praktiziert wird, gibt es immer mal wieder Streit - etwa als die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands 2016 diesen Schritt wieder rückgängig machte. 

Die Mitgliedskirchen verstehen sich laut ihrer bei der Vollversammlung 1990 im brasilianischen Curitiba aktualisierten Verfassung als „Gemeinschaft von Kirchen, die sich zu dem dreieinigen Gott bekennen, in der Verkündigung des Wortes Gottes übereinstimmen und in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander verbunden sind“. Weiter heißt es: „Wir wollen unseren Glauben innerhalb unserer Gemeinschaft und darüber hinaus in die Tat umsetzen und uns dabei von Gottes Wort und Geist leiten lassen.“ Praktisch bedeutet das etwa den Einsatz für Mission, Gerechtigkeit sowie Entwicklungs- und Nothilfe, aber auch die theologische Reflexion. 

Eine wichtige Aufgabe des Weltbunds, dessen Zentrale in Genf ansässig ist, ist der ökumenische Dialog. Mit der katholischen Kirche begann er gleich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, die 1967 in die Gründung der offiziellen Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit mündete.Diese hat bisher fünf Arbeitsphasen zu den zentralen theologischen Themen absolviert. Das wichtigste Ergebnis war die 1999 von beiden Seiten unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, die sich zu einer ökumenischen Erfolgsgeschichte weiterentwickelt hat: 2006 schloss sich der Weltrat Methodistischer Kirchen an, 2017 folgten die Anglikaner und die Reformierten Kirchen.

Weitere ökumenische Dialoge führt der LWB auch mit den Anglikanern, den Mennoniten, den Reformierten sowie mit der Orthodoxie. Ein Highlight bildete bei der Vollversammlung in Stuttgart 2010 der feierliche Akt der Versöhnung mit den Mennoniten, bei dem die Lutheraner um Entschuldigung für die Verbrechen baten, die sie im 16. und 17. Jahrhundert an den Täufern begangen hatten. 

Der katholisch-lutherische Dialogprozess ist derzeit etwas ins Stocken geraten. Eine für 2021 geplante Gedenkveranstaltung zur Exkommunikation Martin Luthers vor 500 Jahren musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen, eine dazu vorbereitete gemeinsame Erklärung konnte noch nicht abgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass das bereits 2019 fertiggestellte Dokument über „Taufe und Wachstum in der Gemeinschaft“ bei der Vatikanischen Glaubenskongregation auf Bedenken stieß und nur als „Studiendokument“ veröffentlicht werden konnte. 

Präsident des LWB ist seit 2017 der Erzbischof der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria, Panti Filibus Musa. Bei seiner Wahl bezeichnete er die Stärkung der Gemeinschaft des Weltbunds als eine vordringliche Aufgabe. Generalsekretärin ist seit 1. November 2021 die estnische Pfarrerin Anne Burghardt, die erste Frau und die erste Person aus der Region Mittel- und Osteuropa in diesem Amt. 

(DBK;KNa; Norbert Zonker: Foto: Schulze)

Grußwort Bischof Dr. Gerhard Feige zum Download

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