Eine Bleibe, die trägt
Ein Stückchen Heimat bei der Bistumswallfahrt auf der Huysburg nach zwei Jahren Abstinenz
Die Sonne scheint, es ist der erste Sonntag im September und durch den Huy ziehen fröhliche Scharen Richtung Benediktinerkloster: Das Bistum Magdeburg hat zur Wallfahrt auf die Huysburg geladen. „Nach so langer Zeit der Abstinenz durch Corona freue ich mich besonders, Sie alle wieder an diesem vertrauten Ort unserer Wallfahrten zu sehen“, begrüßte Bischof Dr. Gerhard Feige die aus nah und fern angereisten Gäste, unter ihnen auch Bischöfe und Delegationen aus den Partnerbistümern Gienzno und Poznañ in Polen, Kaisiadorys und Telšių in Litauen, Hradec Králové in Tschechien und Paderborn sowie den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Sachsen-Anhalt.
Auf Picknickdecken, Bänken und Campingstühlen versammelten sich die Gläubigen auf der großen Wiese, um gemeinsam den Gottesdienst zu feiern. Das Thema der diesjährigen Wallfahrt konnte treffender nicht sein: „beheimatet“ in der Schöpfung, der Kirche, im Glauben, im Alltag und an vielen andere physischen und spirituellen Orten.
„Heimat – so könnte man zunächst einmal sagen – ist ein Sehnsuchtsort, dem wir uns emotional zugehörig fühlen, ein Ort, wo wir womöglich aufgewachsen sind oder später Wurzeln geschlagen haben, ein Ort, mit dem wir besondere Umstände und Erlebnisse verbinden,“ so Bischof Feige in seiner Predigt. „Daneben gibt es aber auch so etwas, wie eine „geistige Heimat“, die man bei Menschen findet, die ähnlich denken oder gleiche Werte vertreten wie man selbst. Insofern können auch Kirchen und christliche Gemeinden Menschen, die unterwegs sind, vertraute Anknüpfungspunkte bieten oder Flüchtlingen und Vertriebenen – wie bei uns nach dem II. Weltkrieg oder auch jetzt – zu einer neuen Heimat werden.“
„Wer aber seine Heimat verlassen muss oder auch freiwillig verlässt, kommt sich danach oftmals völlig entwurzelt vor. „Die Verwurzelung“– so schreibt Simone Weil – „ist (aber) wohl das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele,“ so der Bischof weiter. Hinzukämen noch andere Entwicklungen, die verunsichern und als bedrohlich wahrgenommen werden. „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Vieles ist in einem radikalen Wandel begriffen. Dabei sind es nicht nur Kriege und Umweltkatastrophen, die Menschen mit dem Gefühl zurücklassen, entwurzelt und selbst in ihrem vertrauten Umfeld fremd zu sein, sondern auch solche Phänomene wie die zunehmende Globalisierung und Digitalisierung.“
„Einige Gruppen nutzen solche Verunsicherungen, indem sie den Begriff der Heimat fremdenfeindlich instrumentalisieren und politisch missbrauchen. Sie erheben den Anspruch, zu definieren, was Heimat bedeutet und wer dazugehören darf, tragen den Begriff plakativ vor sich her, um andere auszugrenzen und sie am Bleiben zu hindern“ so Feige. Im Evangelium fragen die Jünger Jesus nach dem was bleibt, was ihn trägt in seinem Leben. „Jesus fordert die Jünger und auch uns dazu auf, sich auf den Weg zu machen und zu erfahren, ob wir bei ihm finden, was wir suchen. Dazu müssen wir uns auf die Nachfolge einlassen, um uns zu entscheiden, ob wir tatsächlich bei diesem Jesus bleiben wollen.“ Die Jünger, so Feige, haben diese Experiment gewagt und sind nicht wieder in ihr gewohntes Leben zurückgekehrt. „Aufzubrechen ist immer ein Wagnis. Man lässt Vertrautes und alte Sicherheiten – ja, das was wir oftmals mit Heimat verbinden – hinter sich und begibt sich ins Ungewisse und Unsichere.“ Doch bei Jesus hätten die Jünger nicht nur ein Zuhause gefunden, sondern eine Bleibe, die ihr eigenes Leben trägt.
„Wenn wir in diesem Jahr wieder zur Wallfahrt aufbrechen, um miteinander in Kontakt zu kommen und gemeinsam Gottesdienst zu feiern, dann sind auch wir unterwegs, um dem zu begegnen, bei dem wir bleiben und Wurzeln schlagen können“, so der Bischof. Dabei werde den Menschen sogar eine Perspektive aufgezeigt, die auch dann noch trägt, wenn alles bislang was uns bislang vertraut war und Halt und Geborgenheit gegeben hat, losgelassen werden muss.
„Deshalb können wir Christen die Sehnsucht nach Heimat bei uns selbst und anderen zutiefst ernst nehmen. So viele Menschen haben Sehnsucht danach, in dieser komplexen Welt doch irgendwo verwurzelt zu sein. So viele Menschen hungern danach, irgendwo dazuzugehören“, so Feige. Diese Sehnsucht dürfte aber nicht jenen überlassen werden, die daraus politisches Kapital schlagen wollten. „Als Christen haben wir eine Hoffnung zu bieten, die trägt und nährt, und das über jede romantisierende oder fremdenfeindliche Heimatdebatte hinaus. Aus dieser Hoffnung heraus engagieren wir uns und bemühen uns darum, auch denen Heimat zu ermöglichen, die unbehaust sind. Aus dieser Hoffnung heraus wissen wir, dass Heimat nichts ist, „was einem selbst und der eigenen Gruppe allein gehört“, keine statische und unveränderliche Größe. Heimat hat vielmehr mit Begegnung zu tun. „Heimat“ – so hat es jemand (Georg Cremer) einmal formuliert – „schafft, wer im Kleinen dazu beiträgt, dass Menschen sich mit Offenheit, Vertrauen und Respekt begegnen.“ Und dazu gehören „Menschen, die hier geboren, und Menschen, die gekommen sind, um hier eine neue Heimat zu finden“.“
„Immer wieder öffnet sich der Himmel für uns: so auch in diesem festlichen Gottesdienst, so auch dann, wenn wir uns geliebt und geborgen fühlen, so auch dann, wenn wir in den Augen unserer Mitmenschen den Bruder und die Schwester erkennen. Möge unsere Sehnsucht nach Frieden und Harmonie, nach Wärme und Geborgenheit nicht ins Leere laufen.“
Den Wunsch nach Frieden auf dieser Erde drückten die Gottesdienstteilnehmer auch mit besonderen Gebeten und dem Entzünden von Kerzen für die vielen Kriege und bewaffneten Konflikte in dieser Welt aus.
Im Anschluss an den Gottesdienst kamen die Menschen auf verschiedenen Gesprächsinseln zu Thema „beheimatet“ in seinen unterschiedlichsten Bedeutungen ins Gespräch. „Diese Wallfahrt war für mich ein tiefes, entspanntes Aufatmen“, fasst es ein Teilnehmer zusammen.
Für die musikalische Begleitung sorgte der Bistumskirchenchor unter der Leitung von Sandra Schilling, die Band Di9 und der katholischen Bläserchor „Die Original Rottersdorfer“ unter der Leitung von Lukas Zülicke.
Die Organisation dieser Wallfahrt lag in den erfahrenen Händen der Pastoralabteilung des Bistums Magdeburg.
(sus; Fotos: Sperling)
Predigt von Bischof Dr. Gerhard Feige zum Download