Dieser Moment des Staunens
Festakt zur Präsentation des Gemäldes „Der auferstandene Christus“ in der Moritzkirche, Halle
Ein lautes Staunen und dann tosender Applaus zog durch die Moritzkirche in Halle, als der Vorhang über dem verhüllten Gemälde „Der Auferstandene Christus“ fiel. Nach über drei Jahren intensivster Restaurationsarbeiten erstrahlte das Renaissance-Gemälde in prachtvollem Glanz. Zu sehen ist eine sehr feierliche Auferstehung Christi – dieser Moment als Christus von den Toten aufersteht, aus seinem Sarkophag hervortritt, als Sieger über das Totenreich mit einer Kreuzesfahne in der Hand den Betrachter eindringlich anblickt. Christus steht im Zentrum des Bildes, umgeben von einer Vielzahl schlafender und wachwerdender Wächter. Begleitet von zwei Engeln, einem Geistlichen, Maria Magdalena und zwei weiteren Frauen.
Dank der mühevollen, detailorientierten Arbeit der beiden Restauratorinnen Ella Dudew und Eva Krug von Nidda und der finanziellen Unterstützung des Land Sachsen-Anhalts und der Marlis-Kressner-Stiftung konnten die Besucher und Besucherinnen der feierlichen Präsentation in Staunen versetzt werden. Propst Reinhard Hentschel erinnerte sich an die erste Begegnung mit dem Gemälde als junger Theologiestudent zu Besuch beim damaligen Bischof Johannes Braun. Beeindruckt von der christlichen Botschaft der Auferstehung hinterließ das Werk einen nachhaltigen Impuls für seinen Lebensweg. Auch deshalb entscheid sich der Propst das Kunstwerk für die kommenden Wochen in den liturgischen Mittelpunkt vor den Hochaltar zu präsentieren. Und er wünscht sich, dass sich alle Besucherinnen und Besucher von der Botschaft berühren lassen, das Leben ist stärker als der Tod.
An die Stelle der triumphierenden Darstellung des auferstandenen Christus im Bischofsbüro ist in der Folge des dafür notwendigen Abtransports eine Leerstelle getreten, wie Bischof Feige in seinem Grußwort sagte. „Genau diese Leerstelle führt aber wieder zurück zum auferstandenen Christus. Sie führt mitten hinein in das Ostergeschehen, von dem die bildliche Darstellung nur einen Ausschnitt erzählt. Ostern beginnt mit einer Leerstelle – mit der Entdeckung, die die Frauen am Ostermorgen machen: Das Grab ist leer“ . Die Botschaft sei dann, „dass auch die Leerstellen in unserem Leben und in unserer gegenwärtigen Zeit – selbst die tiefsten Abgründe und unverständlichsten Sinnlosigkeiten – nicht völlig „gottlos“ und ohne jeden Funken von Hoffnung sind.“
„Vielleicht lassen sich manche auch existentiell auf die damit verbundene Botschaft ein, schöpfen daraus Hoffnung und Zuversicht“, so der Bischof.
Der Restaurationsprozess wurde vor einigen Jahren durch die Kunst- und Kulturgutbeauftragte des Bistums, Sabine Wolfsbauer, ins Rollen gebracht. Sie entdeckte das wertvolle Gemälde im Sitzungszimmer des Bischofs Dr. Gerhard Feige im Ordinariat in Magdeburg. Der Bischof hatte das Gemälde von seinen Amtsvorgängern übernommen.
Eine akribische Beobachtung des, durch den dunklen Firnis stark in seiner Wirkung und Strahlkraft beeinträchtigten Gemäldes, förderte eine weitere Überraschung ans Tageslicht. Im Schild des mittig platzierten, schlafenden Wächters ist eine Ritzung im schwarzen Untergrund auszumachen. In goldenen Majuskeln liest man den Namen Andrea Mantegna, die Abbreviatur P und die Jahreszahl 1493. Diese Entdeckung elektrisierte! Sollte es sich dabei tatsächlich um ein Originalgemälde des hoch dotierten italienischen Renaissancekünstlers handeln?
In 2018 wurde das Kooperationsprojekt zwischen dem Bistum, dem Landedenkmalamt und der renommierten Hochschule für Künste in Dresden ins Leben gerufen. Die durch das Land Sachsen-Anhalt finanziell unterstützte Diplomarbeit von Ella Dudew legte den Grundstein für das, in der ersten Jahreshälfte 2021 anschließende Studienprojekt. Unter den Händen der Studentinnen und Studenten sowie der Betreuerin Eva Krug von Nidda konnte man Monat für Monat eine erstaunliche Transformation des Gemäldes beobachten. Mit Hilfe dieser umfangreichen, fachlichen Unterstützung und das Sponsoring durch die Marlis-Kressner-Stiftung, Dresden konnte die Umsetzung der Restaurierung Ende Juni 2021 erfolgreich abgeschlossen werden.
Dabei kam erstaunliches zu Tage: In der Entstehungszeit des Gemäldes um 1500 befand sich die Malschicht auf einer Holztafel. Das war damals üblich und nur wenige Gemälde waren auf Leinwand gemalt. Das Magdeburger Gemälde ‚Auferstehung Christi‘ wurde in den ersten vierhundert Jahren seit seiner Entstehung in der Renaissancezeit tatsächlich dreimal überarbeitet. Erste Übermalungen des ursprünglichen Zustandes erfolgten bereits im 16./ 17. Jahrhundert. Doch weshalb? Vermutlich wollte man das Gemälde dem Geschmack der Zeit anpassen. Die Übertragung der Malschicht auf eine Leinwand erfolgte schließlich im 19. Jahrhundert. Ein solcher Schritt war immer mit Risiken verbunden und macht deutlich, dass das Gemälde sehr geschätzt wurde.
In weiteren Kunsttechnologischen Untersuchungen wurde detektivische Arbeit geleistet: So stellte sich heraus, dass Gips als Füllstoff für die Grundierung verwendet wurde. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Malerei in Italien entstanden ist. Denn nördlich der Alpen verwendete man nicht Gips sondern Kreide als Füllstoff. Farbanalysen bestätigten die Vermutung, dass der Künstler mit Temperafarbe malte, eventuell zusätzlich mit ein wenig Öl versehen. Eine Probe aus dem Ärmel des rechten Engels gab Aufschluss darüber, dass transparentes Glas in den Farbauftrag gemischt wurde. Das in die Pigmentmischung hinzugefügte Kaliumcarbonat ist ebenfalls eine typische Zutat, die im italienischen Raum häufig Verwendung fand.
Kein Mantegna, aber doch ein Meisterwerk!
Erste stilistische Untersuchungen und kunsthistorische Analysen verorten das Gemälde in der Nähe der umbrischen, auch römischen Renaissancemalerei. Der Künstler des Magdeburger Gemäldes könnte Kontakt mit solchen Künstlern wie Antoniazzo Romano (1435/1440 – 1508) oder Bernardino di Betto di Biagio, genannt Pinturicchio (1454 – 1513) gehabt haben, eventuell ein Mitarbeiter in der Bottega, der Künstlerwerkstatt der genannten Meister gewesen sein. Beide italienischen Renaissancekünstler schildern in ihren Malereien die Pracht und Eleganz der vornehmen Frauen und Männer, ihre Engelsgesichter sind zauberhaft. Ebenso wie jene Engel, die im Magdeburger Gemälde den auferstehenden Christus begleiten und in Gestus, Handhaltung, Gewanddetails und Flügeln große Parallelen zu der Fresko-Malerei ‚Verklärung des hl. Bernardino‘ in der Kirche Santa Maria Aracoeli, Capella Bufalini (Rom) finden. Weder Romano noch Pinturicchio sparten an Goldauflagen und Ornamenten in ihren Gemälden. Dies sind typische Merkmale ihrer Kunst. In einer Vielzahl sind diese Details auch im Magdeburger Gemälde zu sehen. Wie etwa sehr zentral die goldene Verzierung des Mantels Christi, den Engelsgewändern – hier auch auf den Ärmeln, Maria Magdalenas Kleid und sehr auffällig das Granatapfelmuster im Chormantel des Bischofs.
Aufgrund dieser ersten Beobachtungen ist es höchstwahrscheinlich auszuschließen, dass der Künstler der Magdeburger ‚Auferstehung Christi‘ Andrea Mantegna war. Mantegna stellt seine Figuren in einem antiken Kosmos dar. In seinen Werken wird man vergeblich nach Goldornamenten und verspieltem Zierrat suchen. Allerdings gibt es im Darstellungsduktus der Landschaft zeitweise eine geringfügige Übereinstimmung – felsige, schroffe Elemente an den Bildseiten hier und dort. Letztendlich sind das allerdings oftmals typische Elemente der italienischen Renaissancemalerei und auch im Gemälde des Antoniazzo Romano ‚Hl. Hieronymus‘ von circa 1485 (Temperamalerei auf Holz, Mailand, Museo Poldi Pezzoli) in ganz ähnlicher Manier wie in der ‚Auferstehung Christi‘ zu finden.
Den Restauratorinnen ist es gelungen, das über Jahrhunderte verdunkelte Gemälde wieder neu erstrahlen zu lassen. Dabei haben sie auch viele der vorgenommenen Überarbeitungen und Restaurationen aus der Vergangenheit rückgängig gemacht und so viel Originalbild wie möglich wieder freigelegt. Auch die beim Übertrag von Holztafel auf Leinwand zu sehenden Längsstreifen konnten entfernt werden.
Das Gemälde ist noch bis Pfingsten in der Moritzkirche in Halle zu besichtigen, bevor es seinen künftigen Platz im Kulturhistorischen Museum Magdeburg einnehmen wird.
(sw, sus; Fotos: Sperling)