Aktueller Stand der Aufarbeitung
Unabhängige Aufarbeitungskommission nimmt ihre Arbeit auf – Betroffene gesucht
Bischof Dr. Gerhard Feige sagte auf einer Pressekonferenz zur aktuellen Lage der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs an Kindern und anderen Schutzbefohlenen im Bistum Magdeburg: „Die vergangenen Tage und Wochen haben einmal mehr die katholische Kirche in Deutschland erschüttert. Ich bin zutiefst beschämt. „Es ist unglaublich, was sich in unseren eigenen Reihen abgespielt hat. Nach der Veröffentlichung eines weiteren Missbrauchsgutachtens, das schwarz auf weiß dokumentiert, wie Kirche das Evangelium verraten und Menschen schwersten Schaden zugefügt haben, wird immer offensichtlicher, wie das gesamte System und die kirchlichen Rahmenbedingungen, aber auch Täter und Vertuscher großes Unheil angerichtet haben.
Zwar könne er das Geschehene nicht rückgängig machen und das Leiden der Opfer nicht wegnehmen, „aber ich sehe mich und die gesamte Bistumsleitung in der Verantwortung, Strukturen und Rahmenbedingungen, die den Missbrauch begünstigen, zu erkennen und Maßnahmen zur Veränderung einzuleiten.“
Dazu wurde auch eine Unabhängige Aufarbeitungskommission gegründet, deren Sprecher Wolfgang Stein eine Vorstellung der Arbeitsweise und Ziele der Kommission ankündigte.
Deutlich wurde, dass sich das Bistum Magdeburg der Verantwortung gegenüber den Betroffenen und der Herausforderung eines Aufarbeitungsprozesses bereits seit zwei Jahrzehnten stellt, wie Feige erläuterte. Zunächst gab es einen gemeinsamen Beauftragten für die Bistümer Erfurt und Magdeburg, bevor 2002 eine eigene unabhängige „Kommission zur Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter im Bistum Magdeburg“ eingerichtet wurde. Von Anfang an stand keines der Mitglieder in einem Dienstverhältnis zum Bistum, so dass die Kommission tatsächlich unabhängig agieren konnte. Die Mitglieder gehören verschiedenen Berufsgruppen an und sind nicht konfessionell gebunden.
„Bereits lange vor der Erhebung für die MHG-Studie – nachweisbar schon ab 1994 – wurden Verdachtsfälle der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft gemeldet und dort entsprechend bearbeitet oder Betroffenen geraten und sie dabei unterstützt, Anzeige bei der Polizei zu stellen. Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie haben wir der Staatsanwaltschaft Magdeburg noch einmal alle Akten übermittelt. Eine strafrechtliche Konsequenz hat sich aber nicht ergeben“, so der Bischof.
Auch die Präventionsarbeit wurde seit 2010 durch einen leitenden Mitarbeiter im Ordinariat wahrgenommen. 2015 wurde dann eine eigene hauptamtliche Beauftragte dafür angestellt. „Zugleich haben wir die Präventionsarbeit auch noch einmal verstärkt“, so Feige. „Seit dem 1. Januar 2020 ist bei uns an Stelle der bis dahin geltenden diözesanen Präventionsordnung die neue Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz in Kraft gesetzt. Schon seit längerem gibt es in unserem Bistum institutionelle Schutzkonzepte für die Einrichtungen der Caritas, die Kindertagesstätten, die Schulen und für alle 44 Pfarreien.“
Darüber hinaus habe er als Bischof von Magdeburg die Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs gegengezeichnet und die baldige Errichtung einer Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs auf der Ebene unseres Bistums initiiert.
„Dies umzusetzen war und bleibt immer noch nicht einfach“ erläutert der Bischof. Allein die Klärung der Verantwortung, welches Bundesland drei externe Fachleute zur Mitarbeit in der Kommission entsendet, habe mehr als 12 Monate gedauert, da das Territorium des Bistums über die Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg erstreckt.
„Inzwischen sind diese durch mich ernannt. Zudem gehören der Kommission, die ihre Arbeit im Herbst letzten Jahres aufgenommen hat und einen unabhängigen Status hat, noch zwei weitere Mitglieder an. Eine Person wurde vom Katholikenrat vorgeschlagen, die andere kommt aus dem Forschungsbereich einer staatlichen Hochschule.
Vorsitzender der Kommission ist Wolfgang Stein. Der Psychologe und Pädagoge hatte sich in den letzten zwei Jahren bereits in der „Kommission zur Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter im Bistum Magdeburg“ engagiert. In den Jahren 1994 bis 2006 hat er als Landesvorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes Sachsen-Anhalt den Kinderschutz im Land mit aufgebaut.
„Ich habe den Auftrag von Bischof Dr. Feige gerne angenommen, die Vergangenheit im Hinblick auf sexualisierte Gewalt mit weiteren Fachleuten aufzuarbeiten. Aufarbeitung bedeutet, die Tatsachen, Ursachen und Folgen sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen im Bistum zu erfassen, Strukturen aufzuzeigen, die sexuellen Missbrauch ermöglicht, erleichtert oder die Aufdeckung erschwert haben sowie den Umgang mit Tätern und Betroffenen darzustellen. Jetzt gilt: nie mehr Missbrauch!“
„Trotz Ausschreibungen und intensiver Suche – auch über eine unabhängige Findungskommission – ist es aber bisher noch nicht gelungen, zwei – wie im Konzept vorgesehen – Betroffene aus dem eigenen katholischen Umfeld zu finden, die im Betroffenenbeirat und in der Kommission mitarbeiten“, bedauert Feige. „Es ist mir als Bischof und meinen verantwortlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aber bitterernst, dass der sexuelle Missbrauch an Minderjährigen und anderen Schutzbefohlenen im Bereich unseres Bistums aufgearbeitet wird und wir die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen werden. Dazu stellen wir auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung.“
Für Betroffene sexualisierter Gewalt wurde eine Email eingerichtet, über die sie Kontakt zur Aufarbeitungskommission nehmen können. betroffene@aufarbeitung-im-bistum-magdeburg.de
Auch telefonisch können sich Betroffene melden unter 0391 9904 70 45.
Zahlen-Daten Fakten als pdf
Statement von Bischof Dr. Feige als pdf
Link zur Berichterstattung des MDR