Gemeinsames Denken und Überlegen
Treffen der Leitungsteams in Bad Kösen zeigte: In der konkreten Arbeit sind noch viele Fragen offen
Eine Polonaise durch den Versammlungsraum – und wer beim Kinderspiel „Schnick Schnack Schnuck“ verliert, muss sich hinten einreihen. Zuvor eine Zählübung: Jeweils zwei Personen sollen abwechseln bis drei zählen, dann die Zahlen allmählich durch Gesten wie Händeklatschen ersetzen. Es sind manchmal ungewöhnliche, aber durchaus effektive Methoden, mit denen die Trainerin und Prozessbegleiterin Agnes Sander arbeitet. Aber bei den rund 20 Teilnehmern des Seminars für Leitungsteams, das zum zweiten Mal in diesem Jahr im Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen (Burgenlandkreis) stattgefunden hat, kommen die unkonventionellen Einlagen durchaus gut an.
Es geht bei diesem Seminar um Selbstvergewisserung: Was heißt eigentlich „Leiten“ und „Führen“? Wie gehen die Teams mit Herausforderungen und Konflikten um? Und was bedeutet eigentlich „Anteil an der Hirtensorge des Bischofs“? Bereits neun Pfarreien im Bistum werden durch Teams geleitet, also durch ein Team von Ehrenamtlichen und einem geistlichen Moderator, das im Auftrag des Bischofs für alle Belange der Pfarrei Verantwortung trägt. Zwei weitere Pfarreien sollen Anfang kommenden Jahres hinzukommen.
Leitungsteams sollen ihre Entscheidungen möglichst im Konsens treffen – und das funktioniert vor Ort offenbar überwiegend gut, wie auf dem Wochenendseminar deutlich wird. So sollen sich jeweils die Vertreter von zwei Pfarreien in Kleingruppen zusammentun und gegenseitig schildern, wie bei ihnen Führung und Leitung funktionieren. „Jeder darf bei uns seine Meinung sagen“, betont dabei Mechthild Pürschel aus der Pfarrei St. Mathilde in Quedlinburg. „Es ist ein gemeinsames Denken und Überlegen, eine Entscheidungsfindung im Gespräch.“ Von den Teammitgliedern Ballenstedt, mit denen die Quedlinburger gemeinsam diskutieren, sind ähnliche Antworten zu hören.
Aber es gibt auch Unklarheiten und Unsicherheiten. Welche Rolle nehmen die Leitungsteams im Zusammenspiel mit Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand ein? „Du bist ein Leitungsteam, leitest aber nicht“, kritisiert zum Beispiel Stefan Behrendt aus Quedlinburg. Meinolf Thorak aus der Pfarrei St. Georg in Hettstedt sieht es ähnlich: „Es wird nicht entschieden, sondern angedacht – und in die Gremien eingebracht.“
Doch an diesem Wochenende sollen nicht nur Probleme diskutiert werden. Die Teilnehmer erhalten auch mehrere theoretische Inputs. So liegen auf dem Boden zwei Seile in Form eines Kreuzes, das aus der Psychologie bekannte „Thomann-Riemann-Kreuz“. In den vier Quadranten, die daraus entstehen, sollen sich die Teilnehmer einordnen: Suche ich eher die Nähe oder Distanz zu Anderen? Stehe ich eher für Kontinuität, Dauerhaftigkeit ein – oder suche ich häufiger den Wechsel? Auf diese Weise lernen sie, ihre eigene Persönlichkeit besser einzuordnen – aber auch Verständnis für Andere zu entwickeln.
Später gibt es eine Reflexionsrunde – die Teilnehmer sollen an einem konkreten Beispiel eine Problemlösung diskutieren. Und so dreht sich die Debatte um die Frage der hauptamtlichen Verwaltungskoordinatoren: Wie können die Pfarreien hier geeignetes Personal gewinnen? Und wie können diese Stellen attraktiver werden. So sollte ein Verwaltungskoordinator nicht für zu viele Pfarreien zuständig sein, lautet ein Vorschlag. Das Geld für diese Stellen sollte direkt den Gemeinden gegeben werden, heißt es an anderer Stelle. Vielleicht könnte man auch mit den evangelischen Gemeinden bei der Stellenbesetzung kooperieren, so eine weitere Idee.
„Das Wochenende hat mich weitergebracht“, lautet am Ende das Resümee von Mechthild Pürschel aus Quedlinburg. Es sei gut, dass solche Treffen nach der Corona-Zeit wieder in Präsenz stattfinden könnten, gerade auch wegen der vielen persönlichen Begegnungen. Besonders die Methode mit dem Thomann-Riemann-Kreuz auf dem Boden habe sie zum Nachdenken gebracht.
Auch wenn in Zukunft weitere Pfarreien im Bistum durch Teams geleitet werden, ist das Modell für einige Teilnehmer noch nicht zu Ende gedacht. So kritisiert auch Martin Jantowski, ebenfalls aus Quedlinburg, dass viele Zielvorgaben derzeit noch sehr „wolkig“ seien. „Manches ist da von Magdeburg noch nicht durchgeplant“, sagt der Vorsitzende des Kirchenvorstandes und Mitglied des Leitungsteams. Dinge, die vorher in der Pfarrei automatisch gelaufen seien, habe man erst einmal nicht mehr gemacht – weil man doch jetzt erstmal das Leitungsteam fragen müsse. Dieser Begriff, so Jantowski, sei ohnehin unglücklich gewählt, weil die Kompetenzen des Teams nur begrenzt seien. Auch dies ist ein Ergebnis des Wochenendes in Bad Kösen: Es gibt an vielen Stellen weiterhin Diskussionsbedarf.
(OG; Foto: Gierens)