Die Chemie stimmt
Das Interview mit Bischöfin Ilse Junkermann und Bischof Dr. Gerhard Feige in der MDR Kulturwerkstatt
MDR-Kirchenredakteuerin Mechthild Baus lud die Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchen in Sachsen-Anhalt, Bischöfin Ilse Junkermann und Bischof Dr. Gerhard Feige zu einem Interview ins Funkhaus des MDR. Für das neue Sendeformat „Kulturwerkstatt“ hat sie sich die „Chef-Designer der Ökumene“, wie sie es nannte, eingeladen. Zum Ende der Amtszeit der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die zum 1. September an die Universität Leipzig wechselt, sollten beide noch einmal ihre sehr persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen zur Ökumene geben.
Dass die Chemie zwischen Junkermann und Feige stimmt, wird schnell hörbar. Sie spielen sich gegenseitig die Bälle zu und erzählen, wie über die Jahre und durch verschiedene gemeinsame Aktionen das Vertrauen gewachsen ist. „Der Schwung nach dem Reformationsjahr, der in die Ökumene gekommen ist“, so Junkermann, „ist auch im Westen spürbar geworden.“ Sich die Hand zur Versöhnung zu reichen, nach dem Pilgerweg und dem symbolischen Scherben aufheben, sei dabei ein entscheidender Moment gewesen.
Es sei ein „großes Geschenk“ gewesen, dass Feige zu ihrem 60. Geburtstag gesagt habe: „Ich bin dankbar und froh, dass Gott Sie aus Baden-Württemberg hierher geführt hat“, so Junkermann. Die Sympathie sei wechselseitig gewachsen. Als „Traumpaar der Ökumene“ wollten sich allerdings beide nicht bezeichnen lassen. „Das ist zu festgelegt, dass passt nicht“, sagte die Bischöfin. „Aber ich würde sagen: beste Freunde, gute Partner.“ Feige bekundete in demselben Interview: „Die Chemie stimmt.“ Junkermann ergänzte: „Und das Anliegen.“
Beide würdigen das ökumenische Miteinander in ihrer Region. Christen seien in der Minderheit, lebten aber in einer gemeinsamen Gegenwart, sagte Junkermann. Auf der Ebene der Landeskirche und des Bistums sei man auf dem Weg, voneinander zu lernen. Dies scheine ihr ein guter Weg zu sein: „kein Einheitsbrei, sondern schauen, was können wir voneinander lernen und dann miteinander tun“.
In demselben Interview sagte Bischof Feige, der auch Ökumene-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz ist, dass Entkirchlichung und Säkularisierung „uns hier dichter zueinander rücken lassen“. Ebenso wie Junkermann würdigte er das gemeinsame Begehen und voneinander Lernen im Zuge des vergangenen Reformationsgedenkens. Das Gedenken sei insgesamt ein „fruchtbares Ereignis für beide Seiten geworden“. Angesichts von Veränderungen in der Kirche und sinkender Mitgliederzahlen setzt der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige auf das Engagement der einzelnen Gläubigen. „Mehr denn je sind, glaube ich, auch die Einzelnen gefragt“, sagte der. „Wir sind nicht nur Dienstleistungseinrichtung für religiöse Bedürfnisse.“ Jeder Getaufte und Gefirmte sei ein Glied der Kirche mit Verantwortung.
Die „Gestalt von Kirche“ könne und werde sich verändern, so Feige. Entscheidend sei aber, „ob wir unserer Aufgabe gerecht werden“. In der Kirchengeschichte habe es immer Veränderungen gegeben. „Die Gestalt der Kirche wird sich dramatisch verändern.“ Kirche könne aber lebendig bleiben. „Wir wollen eine schöpferische Minderheit“ im ökumenischen Geist sein“, betonte der Bischof. Eine Minderheit könne klein sein, aber etwas bewirken.
In der Debatte über Populismus wirbt der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige für den Dialog. Es sei wichtig, über Inhalte und bestimmte Werte wie die Menschenwürde, die für alle gelte, zu sprechen. „Man kann an keiner Spaltung der Gesellschaft interessiert sein“, so der Bischof. Polarisierung sollte nicht gefördert werden, Hass und Hetze dürften nicht verbreitet werden. Demokratische Gesellschaften setzten vielmehr auf Kompromisse. Zurzeit der politischen Wende 1989/90 habe er nicht gedacht, dass sich die Lage in den nächsten 30 Jahren so verändern werde, sagte Feige. Das mache ihm Sorge und auch Angst. Feige betonte: „Freiheit fordert heraus, man muss sich entscheiden.“ Und: „Demokratie ist anstrengend, fordert das Engagement der ganzen Gemeinschaft.“ Es gebe Probleme, Ängste und Sorgen bei den Menschen, die man ernst nehmen müsse. Mit Blick auf Populismus betonte der Bischof: „Das ist kein reines Ostproblem.“ Auch in den Kirchen gebe es Personen, Gruppen und Kreise, „die populistischer denken, als es erwünscht wäre“.
Die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann sagte in demselben Interview, dass Popuisten stark mit den Ängsten der Menschen arbeite. Eine Angst in Ostdeutschland sei die vor einer neuen großen Veränderung: Die erste, die Wende, habe zwar viel gebracht, aber auch viel genommen. Es gebe noch immer ein Gefühl der Benachteiligung, das sich etwa in niedrigeren Löhnen und der demografischen Entwicklung zeige. Sie räumte ein: „Die Beheimatungskraft der Kirchen ist nicht mehr so groß.“
Das ganze Interview können Sie hier hören.
(sus/kna | Foto: Sperling)